Makulatur aus dem Doctrinale des Alexander de Villa Dei im Geheimen Staatsarchiv Berlin PK

Dass gerade in Archivbeständen des 16./17. Jahrhunderts sehr häufig Handschriftenmakulatur anzutreffen ist, ist kein Geheimnis. Besonders „fragmentträchtig“ sind meist die Rechnungsbücher der diverser Ämter oder Institutionen. Im Idealfall befindet sich die Makulatur noch in situ, so dass die ehemalige, unmittelbare Verbindung zwischen Trägerband und Fragment noch vorhanden ist. Bei abgelösten Fragmenten wurde, vor allem wenn die Ablösung vor der Mitte des 20. Jahrhunderts erfolgte, häufig nicht vermerkt, aus welchem Band diese abgelöst worden waren. Gleichwohl gibt es selbstverständlich auch entsprechende Sammlungen abgelöster Fragmente, bei denen entweder diese Zuordnung vermerkt wurde oder die als ehemaliges Kopert ohnehin die alte Beschriftung des Trägerbandes aufweisen. Diese abgelösten Fragmente befinden sich sozusagen im „provenienzfreien Raum“, eine Zuordnung zum Trägerband und eine eventuelle Zuordnung ihrer Entstehung über den Trägerband ist nicht mehr möglich bzw. nur noch über paläographische, kunsthistorische oder inhaltliche Eigenheiten.

Zur letzteren Kategorie zählen die Fragmente des Doctrinale des Alexander de Villa Dei aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin (vorläufige Einordnung: GStA PK, XX. HA, Hs 132, ohne Signatur).

Abb.1
Im Rahmen der Katalogisierung der in Berlin aufbewahrten  liturgischen und nicht-liturgischen Fragmente aus dem Historischen Staatsarchiv in Königsberg fanden sich immer wieder Fragmente aus anderen Beständen im GStA oder ohne konkrete Zuordnung.[1]

Bei den hier vorliegenden Fragmenten handelt es sich um 16 recht kleinformatige Blätter bzw. Doppelblätter aus dem Doctrinale. Eine Mappe mit der Zahlenfolge 34, in welcher sich diese Blätter befanden, steht zumindest nicht für Hs. 34, denn bei der Signatur Hs. 34 handelt es sich um eine Fragmentmappe mit deutschsprachigen Fragmenten. Es wäre höchstens denkbar, dass die abgelösten Grammatikfragmente in dieser Mappe aufbewahrt wurden, obwohl sie in lateinischer Sprache geschrieben waren. Eine Zuordnung zu einem Trägerband hätte aber auch dies nicht zur Folge.

Die 16 Fragmente dienten ursprünglich wohl als Füllung von (einem ?) Buchdeckel(n), worauf ihr einheitlich zugeschnittenes Format auf die Maße des Trägerbandes sowie die starke Verschmutzung durch Klebespuren hindeuten. Auch ihr Beschreibstoff Papier verstärkt diesen Verdacht, denn für die Stabilisierung von Buchdeckeln verwendeten die Buchbinder gerne Papierfragmente.[2] Die einspaltigen Blätter weisen Außenmaße von 205 x 150 mm auf, von denen der Schriftraum 130 x 95 mm einnimmt. Acht der Fragmente weisen ein Wasserzeichen Ochsenkopf mit doppelkonturiger Stange und Schlange auf. Ein ähnliches Wasserzeichen konnte nicht gefunden werden,[3] denn gegenüber den bekannten weist das hier vorliegende einige Abweichungen auf: der Ochsenkopf hat keine Ohren, die Schwanzspitze der Schlange reicht bis in den Bereich der Hörner etc. Einige der dem hier verwendeten entfernt ähnlichen Wasserzeichen sind im übrigen für Preußenland (und andere Regionen) allerdings etwas später nachgewiesen.[4]

Die durchgängig mit 9 Zeilen beschriebenen Seiten zeigen eine gleichmäßige Bastarda aus dem 2. Drittel des 15. Jahrhunderts. Marginale Einfügungen des Schreibers und viele sehr kleine, interlineare Kommentare einer Hand aus dem 4.Viertel des 15. Jahrhunderts sowie marginale Hinzufügungen von mindestens einer jüngeren Hand zeugen von der Korrektur bzw. der ausgesprochen intensiven Benutzung der Handschrift.

Abb.2
Rote Überschriften und einzeilige rote und blaue Lombarden mit geringer schwarzer Verzierung markieren den Beginn neuer Kapitel. Auf den oberen Rändern finden sich gelegentlich die Buchstaben m, n, b, p, s und z, ohne dass sich deren Verwendung ergibt. Bei einem Fragment wurde auf dem oberen Rand von jüngerer Hand die Inhaltsangabe de prima coniugatio vermerkt.

Die hier vorhandenen Fragmente umfassen Ausschnitte aus cap. 2 sowie 4 – 6.[5] Bei den 16 Blättern bzw. Doppelblättern ergibt sich folgende Zusammensetzung innerhalb der ehemaligen Handschrift. Die Fragmente a bis d sind Einzelblätter, die in keinen Lagenverbund gebracht werden können.[6] Das Fragment g (Einzelblatt)[7] gehört zu einer Lage, von dem noch das innerste Doppelblatt (Fragment f)[8] sowie das dritt-innerste Doppelblatt (Fragment e)[9] vorhanden sind. Bei der auf diese im Handschriftenverband folgende Lage hat es sich um ein Senio gehandelt, von dem das innerste Doppelblatt (Fragment n),[10] das folgende 2. Doppelblatt (Fragment l),[11] das 3. Doppelblatt (Fragment k),[12] das 4. Doppelblatt (Fragment j),[13] das 5. Doppelblatt (auseinandergeschnitten als Blatt = Fragment i und o)[14] sowie das 6. Doppelblatt (auseinandergeschnitten als Blatt = Fragment h und p)[15] vorhanden sind. Dem Buchbinder scheinen also aus der Doctrinale-Handschrift mindestens drei aufeinanderfolgende Lagen zur Verwendung als Makulatur vorgelegen zu haben.

Das Doctrinale des Franziskaners Alexander de Villa Dei (* um 1160/70) entstand um 1200 und vermittelt die Grundkenntnisse der lateinischen Grammatik. Es wurde bis zum Ende des Mittelalters und darüber hinaus eine der am weitesten verbreiteten Grammatiken und auf vielfältige Weise rezipiert.[16] Schon die Edition von Reichling kennt eine sehr große Anzahl von Handschriften, Inkunabeln und Drucken.[17] Bei den hier vorliegenden Fragmenten sind zumindest gegenüber der Edition einige geringe Abweichungen bemerkbar. So folgt bspw. in Capitulum V auf Zeile 870 Zeile 875, um dann wieder mit Zeile 871 fortzufahren (Abb. 3).[18]

Abb.3
An anderer Stelle ebenfalls in Capitulum V wurden zwischen den Zeilen 988 und 990 zwei zusätzliche, bei Reichling nicht vorhandene Zeilen eingefügt.[19] Ob es sich bei den interlinearen Kommentaren um einen bereits bekannten Kommentator oder um einen (oder mehrere) vermutlich unbekannte(n) Benutzer handelt, bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

[1] Zur Bestandsgeschichte vgl. Kurt Forstreuter, Das Preußische Staatsarchiv in Königsberg, Ein geschichtlicher Rückblick mit einer Übersicht über seine Bestände (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung 3), Göttingen 1955. Bernhart Jähnig, Verlagerung der Königsberger Archivbestände von Göttingen nach Berlin, in: Der Archivar 34 (1981), S. 400-402.  Zum Historischen Staatsarchiv Bernhart Jähnig, Jürgen Kloosterhuis (Hg.), Preußens erstes Provinzialarchiv. Zur Erinnerung an die Gründung des Staatsarchivs Königsberg vor 200 Jahren (Tagungsberichte der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 20), Marburg 2006. Zu den Katalogen vgl. Anette Löffler, Fragmente liturgischer Handschriften des Deutschen Ordens im Historischen Staatsarchiv Königsberg I-III (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 18, 24 und 28, hg. von Udo Arnold), Lüneburg 2001 und Marburg 2004-2009. In Bälde wird der 4. Band mit den nicht-liturgischen Fragmenten erscheinen.

[2] Zu diesem Problem siehe hier Ekatarina Skvayrs, Das Moskauer Mechthild-Fragment. Neues zur Lesung und zur Zusammenstellung des Kodex, in: Deutsch-russische Arbeitsgespräche zu mittelalterlichen Handschriften und Drucken in russischen Bibliotheken, hg. von Natalia Ganina e.a. (Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt 45), Stuttgart 2014, S. 57-90, hier S. 57-64.  Generell Armin Schlechter, Fragmente – Vorkommen, Konservierung, Erschließung, in: Alessandra Sorbello Staub (Hg.), „Das Ganze im Fragment“. Handschriftenfragmente aus kirchlichen Bibliotheken, Archiven und Museen, Petersberg 2015, S. 19-34, hier S. 22-26.

[3] Die Ochsenkopf-Wasserzeichen, bearb. von Gerhard Piccard (Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Sonderreihe: Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Findbuch II, 1-3) Stuttgart 1966, XVI, 170-243.

[4] Piccard (wie Anm. 3), XVI, 172-174 (Königsberg); XVI, 178 (Königsberg, Neidenburg); XVI, 182 (Thorn); XVI,207 (Elbing).

[5] Dietrich Reichling (Hg.): Das Doctrinale des Alexander de Villa-Dei. Kritisch-exegetische Ausgabe mit Einleitung, Verzeichnis der Handschriften und Drucke nebst Registern (Studies in the history of education 11), Berlin 1893 [Digitalisat dieser Ausgabe], ND New York 1974, hier S. 31 – 33, Z. 437 – 454, S. 38, Z. 555 – S. 42, Z. 604, S. 46, Z. 657 – S. 47, Z. 676, S. 49 – 51, Z. 696 – 731, S. 52, Z. 749 – 766, S. 53, Z. 783 – 798 sowie S. 55 – 67, Z. 814 – 1020.

[6] Fragment a: Z.437 – 454; Fragment b: Z. 555 – 571; Fragment c: Z. 572 – 588; Fragment d: Z. 589 – 604.

[7] Fragment g: Z. 783 – 798.

[8] Fragment f: Z. 696 – 731.

[9] Fragment e: z. 657 – 676 und 749 – 766.

[10] Fragment n: Z.906 – 938.

[11] Fragment l: Z. 886 – 903 und 939 – 954.

[12] Fragment k: Z. 868 – 884 und 954 – 972.

[13] Fragment j: Z. 848 – 866 und 973 – 987.

[14] Fragment i: Z. 828 – 847; Fragment o: Z. 988 – 1003.

[15] Fragment h: Z. 814 – 828; Fragment p: Z. 1004 – 1020.

[16] Philip J. Ford: Alexandre de Villedieu’s Doctrinale puerorum: A medieval bestseller and its fortune in the Renaissance, in: Forms of the “medieval” in the “Renaissance”: A multidisciplinary exploration of a cultural continuum, ed. George Hugo Tucker, Charlottesville 2000, S. 155-171.

[17] Reichling (wie Anm. 5), S. CXXI-CCCIII.

[18] Reichling (wie Anm. 5), S. 58-59.

[19] Reichling (wie Anm. 5), S. 65.

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The Benedictine Monastery at St Lambrecht, the St Michael’s School in Vienna and a Disputed Question from the University (Graz Ms UB 443)

In this short note, I shall not be doing anything other than drawing attention to a significant witness to the early history of the University of Vienna in commenting upon one catalogue entry. This witness, Ms 443 of the University Library at Graz,[i] is a two-volume codex which originally belonged to the Benedictine monastery at St Lambrecht.[ii] The two volumes contain a partial version of the Catholicon by the Dominican John Balbi, an encyclopaedia on Latin grammar from the late thirteenth century used as a tool for Bible interpretation, but also for gathering valuable information for the “educated citizen”.[iii] Balbi’s work, somewhat in contrast to its intended readership, was principally to be found in monastic libraries. The exemplar in Graz Ms UB 443 not only features the double-sided use and diffusion of the work, but, more unexpectedly, points to connections between Viennese grammar schools and the university.

Both volumes of Ms UB 443 were written on paper at the very beginning of the fifteenth century, and were bound in the same green leather cover. They do not carry St Lambrecht monastery’s ownership inscription, only shelf marks proving their origins. Significantly, both were part of a chained library. The first volume of Ms UB 443 contains an abrupt explicit in the middle of the manuscript. It stands at the end of Book IV of the Catholicon on f. 104v, and reads as follows:

The explicit on f. 104v in Graz Ms UB 443

“Explicit quarta pars de figuris et vitiis. Expliciunt primi quatuor libri Catholicon, videlicet de orthographia, prosodia, ethymologia et dyasinthetica anno 1401 per manus cuiusdam feria sequenti post festum virginis Margarethe ac martiris gloriose [July 14] aput scolas Sti Michahelis [Wienne]. Restat adhuc quintus liber et ultimus de orthographia, prosodia, de origine et significatione quarundam dictionum que sepe inveniuntur in Biblia et in dictis sanctorum secundum ordinem alphabeti connexarum.”

The striking information in this account is that the manuscript was copied at St Michael’s School in Vienna, the city’s name having been added in the same hand in red ink, probably while the scribe outlined and checked the text of the explicit. According to the school statutes from 1446, St Michael’s was one of four public schools in Vienna, for which there is only sparse information in historical sources. Its first mention is in 1352, when a building was leased to the school by the Scottish monks. But nothing is known about the library of this school primarily intended to provide Latin education to lay people.[iv] To date, Graz Ms UB 443 constitutes the only testimony to the medieval library of St Michael’s School. This evidence is not even as indirect as it would appear from the manuscript’s having belonged to the Benedictine monastery of St Lambrecht. For the intriguing fact that both codices were incatenati attests that they were written for the public library of St Michael’s School in Vienna: they were chained and used at St Michael’s Latin school before being transferred to St Lambrecht’s monastery, which might not have occurred until the school’s library was dissolved.[v]

Interestingly enough, the Collegium ducale also owned a Catholicon, dated to exactly the same time when the St Michael’s exemplar was produced: ÖNB Cod. 2274 and 2275 were donated to the theological library of the university by Johannes Stüblein de Bibart, a schoolmaster (!) from Klosterneuburg, who studied at the University of Vienna from 1387 to roughly 1400. These copies of the Catholicon owned by the Collegium ducale, dated ca. 1400–1405, were made either in Klosterneuburg or in Vienna.[vi] Although different scribes executed the copy for St Michael’s and the Collegium ducale, their simultaneous production indicates that Johannes Stüblein must be in connection with the introduction of the Catholicon to both St Michael’s School and the University of Vienna.

The story could end here, and our scribe could have continued to produce his copy of the Catholicon at St Michael’s, but another person seems to have used the unexplained down-time and copied part of a disputation from the University of Vienna into the same quire (ff. 103–114). This hitherto unacknowledged academic disputation falls within the timeframe of the Catholicon copy, as it concerns the appearance of the comet C/1402 D1 in mid-March 1402.[vii] This natural phenomenon provoked discussions at the University of Vienna, as demonstrated by the disputation on the subject copied on ff. 105v(!)–107 in Graz Ms UB 443: “Utrum cometa sit exalacio calida et sicca futurorum eventuum presignata.” The theme of comets was usually part of philosophical discussions, featuring especially in commentaries on Aristotle’s Meteorology.[viii] It had, moreover, a tradition in the Viennese school of theology, since Henry of Langenstein, while at the University of Paris and at the request of Charles V, king of France, commented a similar event in an extended treatise beginning with the same question:

“Anno domini millesimo trecentesimo sexagesimo octavo a vigilia palmarum usque ad tres septimanas Parisius visus fuit cometes tempore crepusculi vespertini in parte occidentis, occasione cuius quesitum fuit, utrum apparitio comete eventuum aliquorum sit signum prenosticativum. Et arguitur quod non.”

Langenstein’s insight, unlike the Viennese reflection, was a solitary product. Regarding the Viennese version of the debate, the explicit of the disputation on fol. 107 in Graz Ms UB 443, written in a hand different from the rest, provides information about the different participants:

The explicit of the university disputation on f. 107

“Anno etc. quadringesimo secundo in die Ambrosii [April 4] dominus rector magister Johannes studii Wiennensis audivit opponentes conclusionibus precedentis questionis de cometa et primus opponens fuit honorabilis in Christo pater et dominus dominus Perchtoldus divina providencia episcopus Frisingensis.”

So shortly after the astronomical apparition in mid-March, the University of Vienna organised a disputation presided over by its rector. For an unknown reason, his name – John Berwart of Villingen held those responsibilities – has been crossed out. Much more evident is the deferential presentation of the first opponent in the debate, whose answer to the question must have been approved as right by the rector and is thus transmitted on the preceding folios: the bishop of Freising, Berthold of Wachingen.[ix]

The question that naturally arises concerns Berthold’ knowledge of Langenstein’s question on comets: did the former read or quote the latter? Speaking only in prosoprographical terms, Henry of Langenstein and Berthold of Wachingen, incidentally chancellor of the Habsburg dukes, were well known to each other for having participated in the foundation of the Faculty of Theology at Vienna. Stylistically exigent, Langenstein, an accomplished poet among the first Vienne theologians, even conceived a versified panegyric letter to Berthold, which survived in several manuscripts.[x]

With Langenstein writing Latin poems, we are not that far from our original inquiry about an exemplar of the Catholicon from St Michael’s School in Vienna. To summarise the unique aspects of Graz Ms UB 443: it is the only direct witness to the library of one of Vienna’s grammar schools, which carries the only evidence of an extraordinary disputation held at the University in 1402 and at the same time the only testimony to theses defended in a public disputation by Berthold of Wachingen. It might also be the testimony to the interest Viennese schools showed in astronomy and astrology from the early fifteenth century. But where was the disputation copied, was the manuscript of the Catholicon taken out to the university, or was rather academic material, including disputations, available for copying in St Michael’s School? Both hypotheses appear dubious. One thing about which we can be certain is that students of the school or users of its library were consequently aware of burning astrological issues discussed by prominent personalities at the highest academic institution of their city.

[i] See the catalogue entry by H. Zotter: http://sosa2.uni-graz.at/sosa/katalog/ (enter the number 443 where you see 1000 in a case). There is a summary mention of this Ms in M. Shank, „Academic Consulting in Fifteenth-Century Vienna: The Case of Astrology“, in E. Sylla – M. McVaugh (eds.), Texts and Contexts in Ancient and Medieval Science, Leiden 1997, 253-4. Page 269, Shank notes that Peuerbach „curiously“ lectured on astronomy at the Bürgerschule and not at the university.

[ii] For the history of the St Lambrecht monastery see B. Plank, „St Lambrecht“, in U. Faust – W. Krassnig (eds.), Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, Munich 2011, pp. 318–80.

[iii] On the Catholicon see the Wikipedia article https://en.wikipedia.org/wiki/Catholicon_(book) (accessed 20.07.2016).

[iv] P. Csendes – F. Opll (eds.), Wien. Geschichte einer Stadt. Vol. 1: Von den Anfängen bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529), Vienna 2001, pp. 305–6.

[v] The late arrival of the manuscripts at the monastery would explain why they do not have the older ownership inscription, only St Lambrecht numbers. Furthermore, it is not characteristic for St Lambrecht manuscripts to be chained. For the brief history of the monastery’s library see G. Möser-Mersky, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs. Vol. III: Steiermark, Vienna 1961, pp. 77–86. The concluding volume to the St Michael’s exemplar of the Catholicon must have been lost.

[vi] There is ample literature on the ÖNB codices; see especially the extensive description in A. Fingernagel (ed.), Mitteleuropäische Schulen II (ca. 1350-1410): Österreich – Deutschland – Schweiz, Vienna 2002, vol. I, pp. 338–40, and vol. II, pp. 385–88. Only a close comparison of the Graz and Vienna copies could reveal the precise nature of their interdependence, but it seems more likely that the St Michael’s copy is based on the university’s exemplar.

[vii] On this comet see again a Wikipedia article: https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Komet#Gro.C3.9Fe_Kometen_des_15._Jahrhunderts (accessed 20.07.2016).

[viii] Relying consequently on manuscripts held at the University Library of Graz, Ms 884 contains on ff. 289v–293 the copy of „De cometa questiones metherorum“. See the complete digitised version of the manuscript online: http://143.50.26.142/digbib/handschriften/Ms.0800-0999/Ms.0884/index.html (accessed 21.07.2016). The copy originally belonged to the Cistercian monastery at Neuberg, which possessed further writings from the University of Vienna.

[ix] For a biographical sketch on Berthold see K. Becher, „Berthold von Wehingen“, in Neue Deutsche Biographie, Berlin 1955, vol. II, p. 154 (http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016318/images/index.html?seite=172 – accessed 21.07.2016). Regarding the different participants in public debates at the University of Vienna see R. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien. 2: Statutenbuch der Universität, Vienna 1854, pp. 99–100 (http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10733445_00001.html – accessed 22.06.2016).

[x] See Munich, Clm 3577, ff. 340v–342r. For other transmissions of this poem and other poems by Langenstein see E. Rauner – B. Gullath, Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München. Die Handschriften aus Augsburger Bibliotheken Bd. 1: Stadtbibliothek Clm 3501-3661, Wiesbaden 2007, p. 306. Langenstein’s poems were even included in sermons preceding principia lectures at the University of Vienna. On this see my paper „Sermons sur les Sentences du 15e siècle chez les Dominicains de Vienne“, in M. Brînzei – W. Duba (eds.), Principia des Sentences: entre exercice institutionnel et débat philosophique, Turnhout forthcoming.

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Bibelkommentare aus der Frühzeit der Universität Wien (1384-ca. 1430) – Teil 2 (ou Petit manifeste pour l’édition des premiers écrits théologiques de l’Université de Vienne)

Den Gedankengang über die Zuschreibung Wiener Bibelkommentare[i] weiterführend, drängt sich die Frage nach dem zur Beschreibung verwendeten Vokabular auf, die unseren Zugang zum Unterrichtsmaterial in der Frühzeit der Universität Wien eindeutig beeinflusst. Die Handschriftenkataloge des 19. Jahrhunderts greifen nämlich auf Bezeichnungen zurück, die den Inhalt der Handschriften nicht konsequent wiedergeben. Johannes Stadlar de Landshüta hat laut Akten der Theologischen Fakultät über das Buch der Apokalypse im Jahr 1430 vorgelesen. Die Abschrift seiner Vorlesung ist in Wien, Schottenstift Cod. 377, Bl. 1r-136v vorhanden, begleitet von einem zweitem Kommentar über das Buch von Josue auf Bl. 145r-194v, der die zweite kursorische Lektüre von Stadlar gewesen sein muss. Beide Vorlesungen werden im Katalog als postilla bezeichnet[ii]. Die Handschrift wurde übrigens vom Abt Johann V. von Ochsenhausen neben anderen Codices für die Bibliothek des Schottenstifts erworben[iii]. Ein ähnliches Beispiel, diesmal für die Bezeichnung von magistralen Schriftauslegung lässt sich für Lambert von Geldern finden. Lambert[iv] war einer der wichtigsten Kommentatoren aus der Periode vor 1420, der über die zwölf „kleinen“ Propheten – mit der Ausnahme von Obadja – vorgelesen hat. Die Handschriften seiner magistralen Vorlesungen sind in der Österreichischen Nationalbibliothek zu finden, ein Teil von ihnen als commentarius im Katalog verzeichnet (ÖNB Cod. 4577, 4575, 4632 und 4635), der andere Teil als postilla (ÖNB Cod. 4421 und 4423). Beide Reihen gehören zur selben, an der Universität Wien um 1410 bei Lambert von Geldern gehaltenen Schriftauslegung „kleinprophetischer“ Bücher des Alten Testaments, wie es dieselbe, konsequent durchgezogene Struktur der lectiones, ihre Aufteilung in Schriftauslegung und questio in jeder genannten Handschrift zeigen.

Diese Abhängigkeit vom Vokabular der alten Handschriftenkataloge wird hier nicht umsonst thematisiert. Die Handschriften bilden nämlich den einzigen Dokumentationstyp der magistralen Vorlesung über die Bibel. Die Akten der Theologischen Fakultät beschränken sich auf die Aufzeichnung der kursorischen Lektüren, und erwähnen nur einen ambivalenten Fall, und zwar die kursorische Vorlesung von Petrus Ferreus de Santa Croce OCist aus dem Jahr 1406. Petrus Ferreus hatte mit der Genesis anfangend ordinarie, d.h. fortlaufend die ganze Heilige Schrift im Nikolauskolleg, der Schule des Zisterzienserordens auszulegen[v]. Folgende Tabelle, die sich in manchen Fällen nur auf Autografe beschränkt[vi], verzeichnet die magistrale Schriftauslegung an der Theologischen Fakultät Wien von den Anfängen bis ca. 1440:

Wiener magistrale Bibelkommentare

Die Vorlesung über die prophetischen Bücher des Alten Testaments und über die Evangelien – mit der Ausnahme von Marcus – und die Paulinischen Briefe des Neuen Testaments, ergeben sich als die Unterrichtsgegenstände der magistralen Bibelauslegung an der Theologischen Fakultät bis 1430. Außerdem lassen sich zwei neue Zuschreibungen in dieser Tabelle ablesen. Beide wurden anhand derselben Entsprechungen etabliert. Zur selben Vorlesung gehörende Bände haben nämlich denselben Vorbesitzer, der der Autor des Kommentars ist; denselben oder einen ähnlichen Einband; dieselbe paläographische Ausführung; oder eine zu den anderen Bänden passende Datierung.

Eine Zuschreibung ist mit Michael Suchenschatz verbunden. Suchenschatz fing im Jahr 1400 oder 1401 an, an der Universität Wien Theologie zu unterrichten. Seine Leistung als Magister der Theologie bestand im Kommentieren des Lukasevangeliums; von seinem Kommentar zum Matthäusevangelium bleibt nur ein umfangreicher Band, ÖNB Cod. 4317, erhalten. Der Kommentar zum Lukasevangelium in zwei Bänden der ÖNB, Cod. 4682 und 4898, ist eindeutig Michael Suchenschatz zugeschrieben. Der Schreiber, der an beiden Bänden mitgeschrieben hat, ist ein Schüler von Suchenschatz, Dietrich Rudolfi (Theodorich) aus Hammelburg. Die Fortsetzung des Kommentars ab Luk 6,49 – wo die Auslegung in Cod. 4898 aufhörte, ist – wie bereits im Katalog der ÖNB erahnt („inhaltlich zugehörig“) – in Cod. 4035 erhalten. Dietrich Rudolfi aus Hammelburg war auch als Schreiber am Codex 4035 tätig, der übrigens die Makulatur derselben hebräischen Handschrift enthält wie Band 2 in Cod. 4898. Anhand der Übereinstimmung der Hände ist die Handschrift eindeutig in die Reihenfolge desselben Kommentars über Lukas einzuordnen.

ÖNB Cod. 4682, Bl. 147v-148r mit einer "cedula" in der Hand von Dietrich von Hammelburg

ÖNB Cod. 4682, Bl. 147v-148r mit einer „cedula“ in der Hand von Dietrich von Hammelburg

Wer ist aber der Autor? Die Methode der Auslegung hat sich nämlich in Cod. 4035 geändert. Die Hin-und Rückweise auf die lectiones fehlen; es werden deutlich weniger questiones gestellt, während der exegetische Teil an Bedeutung zugenommen hat. Ist da vielleicht der Schüler und Schreiber, Dietrich am Werk, oder ein anderer Zeitgenosse von Suchenschatz? Es ist für die Paulinischen Briefe bekannte Tatsache, dass sie sukzessiv von Peter von Pulkau, Nicolaus Dinkelsbühl und Petrus Reicher von Pirchenwart kommentiert waren[vii]. Aber wer hat den bei Suchenschatz angefangenen Kommentar zum Lukasevangelium zu Ende gelesen? Es fehlt jeglicher Stützpunkt zur Bestätigung der einen oder der anderen Hypothese; nur die Zuschreibung zur selben Vorlesungsreihe kann zumal behauptet werden.

Die andere Zuschreibung betrifft nicht den letzten Band einer Reihe, sondern den ersten Teil des Matthäuskommentars des Jodok Weiler von Heilbronn[viii]. ÖNB Cod. 3967 ist eine Handschrift, die Jodok Weiler gehörte, und laut Signaturschildchen „Prima pars questionum super Matheo in lectura“ enthält. Der Codex wurde aus demselben, am Rande gelbgefärbten Papier hergestellt wie die weiteren zwei, bereits bekannten Bände des Kommentars, ÖNB Cod. 4450 und 4451. Die Übereinstimmung der verschiedenen Hände, der Ausführung und der Datierung sowie die inhaltliche Zugehörigkeit ergeben in Summe einen eindeutigen Hinweis auf ÖNB Cod. 3967 als ersten Band des Matthäuskommentars von Jodok Weiler von Heilbronn.

ÖNB Cod. 3967, Bl. 357r: Die "marginalia" wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten hinzugefügt, wie die Verwendung verschiedener Tinten zeigt

ÖNB Cod. 3967, Bl. 357r: Die „marginalia“ wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten hinzugefügt, wie die Verwendung verschiedener Tinten zeigt

Weilers Kommentar wurde auch in der Bibliothek des Collegium ducale aufbewahrt, die mit den Bibelkommentaren der Wiener Theologen gefüllt gewesen sein muss[ix]. Allein ein flüchtiger Blick darauf, was von den Beständen bleibt, ergibt die Dominanz der Schriftauslegung gegenüber den viel spärlicher erhaltenen Sentenzenkommentaren. Die Bibelkommentare von Heinrich Langenstein, Heinrich Totting von Oyta, Michael Suchenschatz, Lambert von Geldern, Peter von Pulka, Nicolaus Dinkelsbühl, Petrus Reicher von Pirchenwart[x], sowie Hilfsmaterial zur Schriftauslegung, insbesondere die bei den Wienern viel benützten bzw. zitierten Postilla des Nicolaus von Lyra OFM und Nicolaus Gorran OP standen auf den Regalen des Collegium ducale. Ein bemerkenswerter Fall der „Auswanderung“ eines Kommentars bildet die Erläuterung der Apokalypse bei Berthold Puchhauser von Regensburg OESA, der seine Handschriften dem Regensburger Kloster der Augustin-Eremiten vermacht hat, wo er nach seiner Wiener Lehrtätigkeit als Ordensvorstand der Provinzen Bayern und Ungarn tätig gewesen sein muss[xi]. Somit ist das Wiener Unterrichtsmaterial eng mit dem Vortragenden verbunden. Der Autor eines Kommentars besitzt seine eigene Schrift, nimmt sie gelegentlich in seinen Ordenskonvent mit, und vermacht sie dessen Bibliothek. Während der Kernpunkt der Überlieferung immerhin in der Bibliothek des Collegium ducale zu finden ist, zersplittert der Rest des Unterrichtsmaterials am individuellen Laufbahn Wiener Theologen.

Diese Beobachtungen sind für die Entwicklung der akademischen Buchproduktion im Spätmittelalter von nicht minderer Bedeutung. Das pecia-System, das an der Vorbilduniversität Paris funktionierte und eine einheitliche Produktion des Unterrichtmaterials und dessen Kontrolle durch die Universität versicherte, war in Wien nicht in Betrieb gesetzt. Die Rolle der stationarii in der Buchproduktion wurde in den ersten Statuten der Wiener Theologischen Fakultät nur in Bezug auf die Sentenzenkommentare thematisiert; dennoch ist ihre Bedeutung für die Buchproduktion anhand der handschriftlichen Zeugnisse nicht nachvollziehbar[xii]. Wie in einer vorigen Notiz gezeigt wurde, wurden Wiener principia und Sentenzenkommentare von ihren Autoren aufgezeichnet[xiii]. Dasselbe kann über viele Bibelkommentare behauptet werden, in deren Abfassungen vom Umfang her diese Rolle zunehmend professionellen Schreibern zukommt. Bestimmte Aspekte des Mitschreibens des Autors, die aus den Sentenzenkommentaren bereits bekannt sind, wie eigenhändige marginalia und cedule[xiv], werden in den Bibelkommentaren auch gebraucht, und ergeben sich zu einem, bei den Wiener Theologen allgemein verwendeten Arbeitsschema, die Partikularität und Systematik eigenartig miteinander verbindet.

Es scheint mir, dass die offen gelassene Tür der Bibliothek des Collegium ducale zu weiteren, offen gelassenen Türen führt, die die Wiener Theologen an ihren Schreibtischen arbeitend zeigen, und umgekehrt, dass die Büros der Professoren zur Bibliothek des Collegium ducale öffnen. In den drei, von mir in diesem Blog verfassten Beiträgen wurden Autorentexte vorgestellt, denen die Entwicklung des Gedankengangs, die verschiedenen Entscheidungen, die im Zuge der Abfassung getroffen werden, begriffliche oder grammatikalische Korrekturen des Autors abzulesen sind. Ich möchte diese Reihe mit einem provokativen Ansatz abschließen, und zwar mit der Zweckmäßigkeit der ebenfalls provokativen Methode der critique génétique in der Erschließung und Edition spätmittelalterlicher theologischer Texte von der Universität Wien. Der Artikel von Michel Espagne „Philologie et critique génétique“[xv] darf als Schlüsseltext zu diesem Ansatz dienen, der kurzgefasst solche, für die mittelalterliche Wiener Theologie maßgebende Handelskonzepte nennt, wie die Transmutation zwischen Dokument und Text oder die Benützung von Bibliotheken in ihrer ganzen Breite oder in Form von Auszügen in der Entstehung der eigenen literarischen Produktion[xvi]. Wie weit sich diese Provokation durchsetzen lässt, ist noch Frage einer tiefgreifenden Verifikation; mittlerweile bleibt uns die Tatsache eines einzigartigen Materials in den Wiener Bibliotheken.

„Son objet même, ces manuscrits griboullés souvent jusqu’à la limite du déchiffrable, faisait office de repoussoir; ses chercheurs, en quête de méthodes et de modèles, et engouffrés dans le labyrinthe des brouillons, n’étaient d’aucune obédience, d’aucune fratrie.“ A. Grésillon, La critique génétique française: hasards et nécessités. ÖNB Cod. 4907, Bl. 443r: Skizze einer disputierten Frage, die aus der Periode vor 1420 das einzige Zeugnis für die Erwähnung des Begriffs der contingentia futurorum ad utrumlibet bildet

„Son objet même, ces manuscrits griboullés souvent jusqu’à la limite du déchiffrable, faisait office de repoussoir; ses chercheurs, en quête de méthodes et de modèles, et engouffrés dans le labyrinthe des brouillons, n’étaient d’aucune obédience, d’aucune fratrie.“
A. Grésillon, La critique génétique française: hasards et nécessités.
ÖNB Cod. 4907, Bl. 443r: Skizze einer disputierten Frage, die aus der Periode vor 1420 das einzige Zeugnis für die Erwähnung des Begriffs der „contingentia futurorum ad utrumlibet“ in einer „questio disputata“ bildet

[i] Dieser Beitrag ist auch im Rahmen der Forschungen für das FWF-Projekt V356 entstanden. Ich danke Katharina Kaska für Literaturangabe und die freundliche Korrektur meiner deutschsprachigen Beiträge in diesem Blog.

[ii] Siehe http://manuscripta.at/m1/hs_detail.php?ID=1858. Zur Bedeutung des Worts postilla siehe M. Teeuwen, The Vocabulary of Intellectual Life in the Middle Ages, Turnhout 2003, S. 307-308. Zu Johannes Stadlar de Landshüta sind kaum biographische Daten vorhanden.

[iii] C.R. Rapf, „Die Bibliothek der Benediktinerabtei Unserer Lieben Frau zu den Schotten in Wien“, in J.G. Plante (Hrsg.), Translatio studii. Manuscript and Library Studies, Minnesota 1973, S. 7.

[iv] Zur Biographie von Lambert siehe J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhunderte ihres Bestehens, Wien 1865, S. 419-421; und R. Kadan, Lamberts von Geldern Auslegung der Johannesbriefe. Eine textkritische Edition, Wien 1995.

[v] Siehe P. Uiblein, Die Akten der Theologischen Fakultät der Universität Wien (1396-1508), Wien 1978, S. 11-12; S. 425, Anm. 88; und H. Watzl, „Heiligenkreuzer Excerpte: Nikolaus Vischel. Ein Hostienfrevel in Klosterneuburg vor 1300. Der Schreibermönch Werner von Ellwangen. 1363 bis nach 1379. Petrus Ferreus oder Eysen 1405-1412“, Sancta Crux, 35 (1973) S. 10-20. Zum Nikolauskolleg siehe P. Csendes – F. Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Wien 2001, Bd. 1, S. 380, und A.V. Schachenmayr, „Das Kolleg Sankt Nikolaus an der Universität Wien, ein Studienhaus der Cistercienser“, in A. Sohn – J. Verger (Hrsg.), Die regulierten Kollegien im Europa des Mittelalters und der Renaissance, Bochum 2012, S. 151-159. Schachenmayr nimmt S. 155-156 die Vorlesung von Petrus Ferreus nicht wahr.

[vi] Für vollständige Angaben siehe F. Stegmüller, Repertorium biblicum Medii Aevi, Madrid 1940-1980.

[vii] „PETRUS TSCHECH DE PULKA legerat Rom. (finit 1412 Nov. 9); I Cor; partem II Cor; NICOLAUS DE DINKELSBÜHL legerat quod supererat II Cor; Gal; Eph. lect. 1; PETRUS REICHER DE PIRCHENWART legit quod supererat Eph. (coept. 1433); Philipp.Hebr.“ F. Stegmüller, Repertorium biblicum, Bd. 4, S. 426.

[viii] Siehe J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, S. 475-477; und P. Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen, Wien 1999, S. 316, 354, 377, 381, 385, 473. Weiler selbst besaß ein Exemplar des wichtigen Matthäuskommentars (ÖNB Cod. 4397 und Cod. 4445) des Nicolaus Dinkelsbühl. -Seine kursorische Vorlesungen über die Psalmen (101-150) und dem Marcusevangelium sind in Wien, Schottenstift Cod. 23 erhalten. Zur hebräischen Makulatur der Hs. siehe C.R. Rapf, „Die Bibliothek des Schottenstiftes in Wien“, S. 13, Anm. 39.

[ix] In der Bibliothek der Rosenburse befand sich der Genesiskommentar des Heinrich von Langenstein – mindestens ein Teil von dem umfangreichsten und einflussreichsten Wiener Bibelkommentare war in jeder Klosterbibliothek in Österreich zu finden – und mehrere, spätere kursorische Vorlesungen über die Bibel.

[x] Für eine Aufzählung der Wiener Bibelkommentare siehe W.J. Courtenay, „The Bible in the Fourteenth Century: Some Observations“, Church History, 54 (1985), S. 186-187; Id., „The Bible in medieval universities“, in R. Marsden – E.A. Matter (Hrsg.), The New Cambridge History of the Bible, Cambridge 2012, S. 574-577.

[xi] Zu Berthold von Regensburg siehe J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, S. 441-442; und P. Uiblein, Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen, Wien 1999, S. 96, 132, 140, 199, 316, 362. Zur Bibliotheksheimat von München BSB Clm 26676 und Clm 26910 siehe https://www.bsb-muenchen.de/fileadmin/imageswww/pdf-dateien/abteilungen/Handschriften/Bestand_lateinische_HssClm.pdf, die die Besitzvermerke auf fol. 1r in beiden Codizes bestätigen. Berthold hat übrigens eigenhändig das genaue Datum der einzelnen Lektionen in seine Handschriften eingetragen, die dadurch ein wertvolles Zeugnis des zeitlichen Ablaufs einer mehrjährigen Bibelauslegung bilden.

[xii] Siehe R. Kink, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien, Bd. 2: Statutenbuch der Universität, Wien 1854, S. 110-111 (https://archive.org/stream/bub_gb_CczsRwl6G_wC#page/n117/mode/2up). Ausdrücklich bei Giovanna Murano: „Non sono noti manoscritti prodotti per exemplar e pecia sicuramente realizzati in Germania e nell’Est europeo, […]“ G. Murano, Opere diffuse per exemplar e pecia, Turnhout 2005, S. 49.

[xiii] http://www.iter-austriacum.at/uncategorized/sentences-commentaries-from-the-early-university-of-vienna-under-the-palaeographical-magnifying-glass/

[xiv] Metareflexion zur Praktik der cedula habe ich bislang nur in einer Handschrift gefunden. Berthold von Regensburg schreibt in München Clm 26910, Bl. 22r zwar den Grund nicht nennend, nur den Schreibeprozess erläuternd: „Hoc dubium scripsi in una cedula seorsum nolens cartam principalem occupare.“ Die cedula ist nicht erhalten.

[xv] M. Espagne, „Philologie et critique génétique“, Genesis 30 (2010), S. 19-20 (online: https://genesis.revues.org/96).

[xvi] Ich arbeite an einem Aufsatz, der unter anderen einen Sammelband mit Textausschnitten (rapellarius) analysiert. Meine Hypothese ist, dass das Zurückgreifen auf solche Instrumente in der Vorbereitung von Disputationen bzw. Abfassung von Sentenzen- oder Bibelkommentaren teilweise die Überlieferungslücken erklärt. Zu diesen siehe M. Brînzei – Ch. Schabel, „The Past, Present, and Future of Late Medieval Theology: The Commentary on the Sentences by Nicholas of Dinkelsbühl, Vienna, ca. 1400“, in Ph.W. Rosemann, Mediaeval Commentaries on the Sentences of Peter Lombard Bd. 3, Leiden 2015, S. 176, 188, 216, 219-220 („A Failed Attempt at a Stemma“), 263. Siehe insbesondere die Zitate aus Gregor von Rimini (S. 188) in Nicolaus von Dinkelsbühls Sentenzenkommentaren in Wien Schottenstift Cod. 269, die nicht dem bei Dinkelsbühl besessenen Rimini-Exemplar aus ÖNB Cod. 1511 stammen.

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Bibelkommentare aus der Frühzeit der Universität Wien (1384-ca. 1430) – Teil 1

Auf Bl. 288r der Handschrift ÖNB Cod. 4683[i] leitet Petrus Reicher de Pirchenwart seine kursorische Lektüre zum alttestamentlichen Buch des Propheten Baruch wie folgt ein: „Divino auxilio suffragente pro secundo meo cursu lecturus Baruch […] resumo thema meum in principio primo meo primo habitum.“ Die kursorische Vorlesung über die Bibel bildete für die mittelalterlichen Theologen den Einstieg in den Lehrbetrieb ihrer Universität. Dem ersten unterrichteten Kurs ging ein principium biblicum, eine Art von Predigt – Lobpreis der Bibelstudien (recommendatio Scripturae, in den Katalogen oft prolusio genannt) – voran. Das vom Lehrenden gewählte erste Zitat (thema) aus dem zu kommentierenden Bibelbuch bildete daraufhin einen roten Faden in der akademischen Karriere: es wurde in die zweite kursorische Bibellektüre, und sowohl in die Predigten, als auch in die Einleitungsvorlesungen eingegliedert, die der Vorlesung über die Sentenzen des Petrus Lombard (principia) vorangingen. Manche Theologen haben es sogar in ihre magistrale Schrifterklärung aufgenommen[ii]. Noch bis heute können wir Theologen entlang eines biblischen Satzes im Labyrinth der anonymen Texte folgen. Diese Blog-Aufzeichnung lädt zu einem solchen Labyrinth-Besuch der Bibelkommentare aus der Frühzeit der Universität Wien (1384-ca.1430) ein.

ÖNB Cod. 4683

„Baruch“ auf dem Signaturschildchen des ÖNB Cod. 4683 aus dem Collegium ducale

Die Akten der Theologischen Fakultät bilden die Hauptquelle zur Erforschung kursorischer Bibelvorlesungen; diese erwähnen in der Regel einen Theologen gerade durch die Zustimmung zu seinen kursorischen Lektüren zum ersten Mal. Die kursorische Vorlesung über die Bibel war doppelt gestaltet: sie musste über ein Buch des Alten Testaments und ein Buch des Neuen Testaments stattfinden, deren Reihenfolge nicht bestimmt war. Folgende Tabelle verzeichnet die in Wien stattgefundenen kursorischen Lektüren anhand der Akten der Theologischen Fakultät für die Periode von 1396 – Beginn der Aktenaufzeichnung – bis 1430[iii]:

Wiener-kursorische-Bibelkommentare

Die Akten bezeugen keine systematische Aufzeichnung beider biblischer Vorlesungen, und es fehlt schlechthin jegliche Aufzeichnung zu manchen Jahrgängen, wie 1398, 1413, 1418 und 1425. Doch sogar diese fragmentarische Liste zeigt die Vielfalt der kommentierten Bibelbücher[iv]. Die Auflistung zeigt auch, dass, obwohl die „Publikation“ der kursorischen Kommentare an sich einen bedeutenden Unterschied zur Praxis der Veröffentlichung von Bibelkommentaren im 14. Jahrhundert zeigt[v], die Überlieferung nicht sehr umfassend ist. Eine weitere Besonderheit Wiener Bibelkommentare zeichnet sich dieser Tabelle auch ab: der ab und zu zum Vorschein kommenden Vermerk „Autograf“: Wiener kursorische Bibelkommentare wurden oft eigenhändig geschrieben. Dass die eine oder die andere Handschrift ein Autograf ist, kann man nur anhand nachweisbarer autografer Handschriften beweisen. Im Falle der Wiener Theologischen Fakultät ist dies teilweise durch die Dekanatsakten[vi] möglich. Da nicht alle Bibelkommentatoren auch Dekane der Theologischen oder der Artistischen Fakultät gewesen sind, ist die tatsächliche Verbreitung der Autographen-Praxis kursorischer Bibelkommentare allerdings nicht mehr zu erfassen.

Manchmal sind Handschriftensammlungen hilfreicher als Fakultätsakten. Im Falle eines der ersten Wiener Theologen lässt sich die Aktivität des Bibelkommentierens anhand einer einzigen Handschrift nachvollziehen. Paul von Geldern hat über die Bibel in Wien vorgelesen, und seine Vorlesungen eigenhändig abgefasst, bevor noch die Dekane seiner Fakultät mit der Aktenaufzeichnung begonnen haben. Der Codex Erfurt, CA 2°173, der ein das ganze Studium umfassendes Werk des Wiener Theologen ist, und für die darin überlieferten principia und Sentenzenkommentare des Paul von Geldern bereits studiert wurde, enthält außerdem seine Bibelkommentare. Auf Bl. 23r-100r kommentiert Paul von Geldern das alttestamentarische Buch Jesaja. Im biblischen principium wählt er den Vers „Dedi te in lucem gentium“ als Leitmotiv, und nennt ihn später noch einmal in seinen principia zu den Sentenzen[vii]. Am Ende der Isaias-Vorlesung verweist Paul im Bruchstück einer Rede auf den Pariser Gebrauch, den die Wiener Universität neben anderen akademischen Traditionen übernommen haben muss: die Schlusspredigt (collatio regratiatoria) eines Kurses soll nach dem Heiligen lauten, dessen festlicher Vorabend (vigilia) es war. Die auf Bl. 102r-138r folgende Texteinheit, eine Bibellektüre zum neutestamentarischen Brief des Paulus an Timotheus ist die zweite kursorische Lektüre des Paul von Geldern. Schließlich, das auf Bl. 182r-245v zu findende Kommentar ist die hier fragmentarisch überlieferte, vielleicht nie zu Ende gelesene magistrale Schriftauslegung des Johannes-Evangeliums des Paul von Geldern[viii]. Die scheinbar bedeutungslose Tatsache, dass die zwei kursorischen Bibellektüren in der Handschrift aufeinander folgen, wird erst anhand einer genaueren Betrachtung der Überlieferung Wiener Bibelkommentare sichtbar: ein solches Aufeinanderfolgen ist in der Tat eine Regelmäßigkeit der Handschriftentradition.

Ein weiteres Beispiel nacheinander folgender Kommentare lässt sich in ÖNB Cod. 4508 finden. In dieser Sammelhandschrift stehen auf Bl. 73r-91r und 95r-140v zwei, teilweise eigenhändig von Johannes Gmunden geschriebene Kommentaren – oder Teile davon – zum Buch der Genesis (1415) und Jakobs kanonischen Briefen (1416). Während von der Vorlesung zur Genesis nur das principium erhalten blieb, ist der Briefkommentar vollständig, d.h. mit principium, Prolog und Kommentar überliefert[ix]. Beide principia zitieren denselben Vers: „Gloria Domini apparuit in nube“ (Gen 16,10). Heinrich von Köln OP hat beiden seiner Lobpredigte zur kursorischen Bibellektüre hinterlassen, obwohl sich die Akten auf die Erwähnung der ersten Vorlesung zur Genesis aus dem Jahr 1417 beschränken. Alle zur Bibel und zugleich zu den Sentenzen vorgelesenen principia-Predigte fangen in Universitätsbibliothek Graz, Cod. 347 mit demselben Vers an: „Vidi faciem tuam quasi vultum Dei“ (Gen 33,10). Die Handschrift, Graz UB 347, deren Bibliotheksheimat das Dominikanerkloster in Pettau ist, verweist auf einen wahrscheinlichen Aufenthalt des Heinrich von Köln im Kloster seines Ordens, das ihn zur Schenkung seiner Handschrift bewegt haben muss[x].

Graz UB 347, Bl. 68r: Incipit des "Principium biblicum" des Heinrich von Köln OP

Graz UB 347, Bl. 68r: Incipit des „Principium biblicum“ des Heinrich von Köln OP

Der rote Faden „Virtus Dei est in salutem omni credenti“ (Röm 1,16) weist in ÖNB Cod. 4907 die Autorschaft des im Jahre 1420 den Römerbrief kommentierenden Johannes Angrer de Mühldorf nach. In der Handschrift Cod. 4907 der Nationalbibliothek, deren zweiter Teil (ab Bl. 263) Angrer gehörte und voll mit seinen eigenhändigen Aufzeichnungen ist, lassen sich auf Bl. 381r-388v sein „primum principium cursus Bibliae“ und auf Bl. 389r-401r vier datierte Predigte zur Einführungslektüre in die Sentenzenkommentare mit dem selben Zitat finden. Die Eintrittsvorlesungen zu den vier Sentenzenbüchern selbst finden sich in ÖNB Cod. 5067, Bl. 281r-297r, in denen die Übernahme und Modellierung des Römerbrief-Zitats (z.B. Bl. 281r: „Quantum ad primum principale iuxta verba thematis moveo talem questionem: Utrum virtus Dei a principio formans hominem iustum sit temporaliter [mortem]marg.passa omni credenti in salutem“; usw.) rückweisend die Autorschaft des Johannes Angrer für das principium in ÖNB Cod. 4907 bestätigen[xi].

Einen Ausblick über den Zeitrahmen hinaus und die Nachhaltigkeit der Praktik zeigt die kursorische Lektüre des Thomas Wölfel de Wullersdorf aus den Jahren 1431-1433. Seine Einleitung zum Kommentar der Propheten Zacharias und Malachias findet sich in ÖNB Cod. 4719, Bl. 10r-15r, worauf seine principia zu den Sentenzen folgen[xii]. Beide der kursorischen Vorlesungen von Thomas Wölfel sind vollständig in ÖNB Cod. 4245 überliefert, eine Handschrift, die sich anhand der Wasserzeichen auf ca. 1430-1433 datieren lässt. Diese Handschrift überliefert einen Kommentar zum Markus-Evangelium auf Bl. 1r-179r (wohl ausgedehnt für eine kursorische Lektüre, doch: „beati Marti evangelium cursorie declarare“), der bislang Johannes Zink de Herzogenburg zugeschrieben wurde, und auf Bl. 181r-224r und 224r-245r die Kommentare zu Zacharias und Malachias der zeitlichen Reihenfolge der Vorlesungen von Wölfel entsprechend. Die Handschrift befand sich in Besitz des Thomas Wölfel von Wullersdorf, der sie der Rosenburse vermacht hat. Diese Schenkung ist beachtenswert. Thomas Wölfel besaß eine umfangreiche Bibliothek. Eine Reihe seiner Handschriften vermachte er dem Collegium ducale, unter ihnen mehrere Postillen des Nikolaus von Lyra. Aus der Rosenburse lassen sich hingegen nur drei Handschriften aus seinem Besitz nachweisen: ÖNB Codd. 4245, 4690 und 4719. ÖNB Cod. 4690 und Cod. 4719 enthalten seine principia und Sentenzenkommentare; ÖNB Cod. 4245 seine Bibelkommentare. Die Schenkung ist also eine rein persönliche Angelegenheit : Thomas Wölfel hat der Rosenburse die Handschriften vermacht, die er teilweise selbst geschrieben, aber auf jeden Fall selbst verfasst hat, und die sein theologisches Curriculum nachzeichnen.

Wenn die hier beschriebene Regelmäßigkeit der Überlieferung, d.h. das Aufeinanderfolgen der zwei kursorischen Lektüren zur Bibel konsequent durchgehalten wurde, müssten die Kommentare über Ezechiel auf Bl. 9r-220v und über Johannes auf Bl. 221r-278v in ÖNB Cod. 4912 Johannes Himmel zugeschrieben werden, der als einziger in dieser Reihenfolge über diese zwei Bibelbücher vorgelesen hat. Seine Hand ist unter den zahlreichen, am Codex mitwirkenden Händen nicht zu identifizieren. Unbestreitbar ist aber, dass der erste Teil der Handschrift eine kodikologische Einheit bildet (Bl. 1r-290r sind größer als der restliche Teil der Handschrift; sie enthalten zusätzlich zu den zwei Kommentaren eine Predigt auf die Heilige Katharina). Einzig die Datierung der Handschrift kann die Zuschreibung an Johannes Himmel könnte dagegen sprechen. Auf Bl. 9r findet sich nämlich das Datum 1415, obwohl laut Akten der Theologischen Fakultät Himmel in den Jahrgängen 1416-1417 als Kursor tätig gewesen sein muss. Gerade das ein Doppeljahrgang, wo die Aufzeichnungen ein wenig chaotisch gestaltet waren…[xiii]

Manche Kommentare werden trotz unserer Bemühungen nie unumstritten einem Autor zugewiesen werden können. Jedoch bleiben uns in den aus der Bibliothek des Collegium ducale und der Rosenburse, den zwei ältesten Theologenbibliotheken in Wien, stammenden, in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrten Handschriften kaum noch anonym überlieferte Bibelkommentare[xiv].

[i] Diese Notiz ist im Rahmen der Forschungen für das FWF-Projekt V356 entstanden.

[ii] Zum Unterschied zwischen kursorischer und magistralen Vorlesung siehe A. Maierù, „Les cours: lectio et lectio cursoria (d’après les statuts de Paris et d’Oxford)“, in O. Weijers u. L. Holtz (Hrsg), L’enseignement des disciplines à la Faculté des arts (Paris et Oxford, XIIIe-XVe siècles), Turnhout 1997, S. 373-391.

[iii] Alle Angaben sind P. Uiblein, Die Akten der Theologischen Fakultät der Universität Wien (1396-1508), Wien 1978, Bd. 1 entnommen. Die Handschriften wurden laut Bd. 2 verzeichnet; in der Schreibweise der Personennamen wurde ebenfalls den Akten gefolgt.

[iv] A. Maierù, „Les cours: lectio et lectio cursoria (d’après les statuts de Paris et d’Oxford)“, S. 383.

[v] W. J. Courtenay, „The Bible in medieval universities“, in R. Marsden und E.A. Matter, The New Cambridge History of the Bible, Bd. 2: From 600 to 1450, Cambridge 2012, S. 573-574.

[vi] Mikrofilme Nr. 64 für die AFA I (Akten der Artistischen Fakultät) und Nr. 75 für AFTh I (Akten der Theologischen Fakultät) der Archiv der Universität Wien.

[vii] M. Sokolskaya, „Paul von Geldern – Ein Wiener Universitätstheologe aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Zur Handschrift 2°173 der Collectio Amploniana zu Erfurt“, Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte, 8 (2012), S. 193-236, ins. 204-210.

[viii] F. Stegmüller, Repertorium biblicum Medii Aevi, Madrid 1950-1980, Nr. 6332 u. 6333.

[ix] P. Uiblein, „Johannes von Gmunden. Seine Tätigkeit an der Wiener Universität“, in: Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen, Wien 1999, S. 362-363.

[x] Die Handschrift ist digitalisiert: http://143.50.26.142/digbib/handschriften/Ms.0200-0399/Ms.0347/index5.html (letzter Zugang am 23. Mai 2016). Die Autorschaft der principia wird bei Frank gezeigt: I.W. Frank, Hausstudium und Universitätsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500, Wien 1964, S. 191-192.

[xi] Siehe W. J. Courtenay, „From Dinkelsbühl’s Questiones Communes to the Vienna Group Commentary“, in: M. Brinzei (Hrsg.), Nicholas of Dinkelsbühl and the Sentences at Vienna in the Early Fifteenth Century, Turnhout 2015, S. 287-291.

[xii] Siehe Anm. 14 in http://www.iter-austriacum.at/uncategorized/sentences-commentaries-from-the-early-university-of-vienna-under-the-palaeographical-magnifying-glass/. Man müsste die Autorschaft des Sentenzenkommentars in ÖNB Cod. 4719 – bislang Johannes de Tittmoning zugeschrieben – überprüfen. Das ebenda eingebundene principium biblicum zum Johannesevangelium auf Bl. 3r-9r von einer in der Handschrift sonst nicht nachweisbaren Hand ist vielleicht Nikolaus de Aoelen zuzuschreiben, der den Text 1433, um die Entstehung der Handschrift ÖNB 4719, kursorisch kommentiert hat: AFTh, S. 110.

[xiii] Die Aufzeichnungen zum Jahr 1416 sind am Rande von Thomas Ebendorfer ergänzt; siehe AFTh, S. 34-35.

[xiv] Ich möchte hier auf die in ÖNB Cod. 4637 und Cod. 4835 überlieferten Bibelkommentare hinweisen. Beide Handschriften waren im Besitz des Johann Gwerlich (Uni. Bologna, Dr. iur. Augsburg, Uni Wien ab 1421), und danach in der Rosenburse.

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olim Lambach …

Im Mai des Jahres 1717 reisten die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez von ihrem Heimatkloster Melk zu Bibliotheksforschungen nach Bayern. In der Dissertatio  isagogica, die dem 1721 in Augsburg veröffentlichten ersten Band ihres Thesaurus Anecdotorum novissimus vorangestellt ist, findet sich ein knapper Reisebericht[1]. Die erste Tagesreise, die sie dank der einzigartigen Großzügigkeit ihres Abtes vehiculari cursu zurücklegen konnten, führte sie bis nach Lambach in Oberösterreich. Zwar verweilten die Brüder nur kurz im 1056 von Bischof Adalbero von Würzburg gegründeten Benediktinerkloster, doch besuchten sie natürlich die gerade durch Abt Maximilian Pagl, einen ungemein eifrigen Förderer der Pez’schen Studien,  erweiterte Bibliothek. Aus ihr, die als optimis omnium generum libris ditatam beschrieben wird, werden im Reisebericht vor allem  die Überlieferungen der Consuetudines Fruttuarienses, des Dialogus trium quaestionum des Otloh von St. Emmeram und der Historia calamitatum Salisburgensis ecclesie sowie ein vetus Chronicon Lambacense hervorgehoben[2].

Wer die Lambacher Bibliothek heute besucht, wird noch immer in freundlichster und hilfsbereitester Weise aufgenommen und findet eine stattliche, wertvolle und vor allem interessante Sammlung von mittelalterlichen Handschriften vor – doch die wirtschaftliche Notsituation der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen hat (wie auch in anderen österreichischen Klöstern) eine leider deutliche Reduktion des Handschriften- und Inkunabelbestandes bewirkt. Alle von den Gebrüdern Pez in Lambach benützten Handschriften befinden sich heute in anderen Bibliotheken oder sind überhaupt verschollen; dasselbe trifft auf eine große Zahl anderer Lambacher Codices zu. Schon der um die Erforschung der Lambacher Bibliotheksgeschichte besonders verdiente Kurt Holter hat sich bemüht, für möglichst viele ehemals Lambacher Handschriften die aktuellen Bibliotheksorte festzustellen[3]. Aufbauend auf diesen Angaben nennt Herbert Paulhart in seiner Edition der mittelalterlichen Lambacher Bücherverzeichnisse einige  Aufbewahrungsorte[4], und ebenso finden sich in jüngeren Arbeiten zu Lambacher Handschriften und Schreibern einschlägige Angaben[5]. Trotzdem ist es wohl nützlich, wieder einmal einen zusammenfassenden Überblick über den aktuellen Wissensstand zu geben – nicht zuletzt, weil einige Handschriften inzwischen neuerlich den Eigentümer gewechselt haben; auch ist es gelungen, für einige bisher verschollene Codices die aktuellen Aufbewahrungsorte ausfindig zu machen. Die folgende Liste, die sich zunächst auf die Pergamenthandschriften (CmlCodex membranaceus lambacensis) beschränkt,  ist aber leider noch immer nicht vollständig. Es wird daher ausdrücklich gebeten, Korrekturen und Ergänzungen mitzuteilen – entweder in einem Kommentar zu diesem Blogeintrag oder durch Abfassung eines eigenen Beitrages zu Iter Austriacum!

Zur Vorgangsweise: Genannt werden alle Pergamenthandschriften, die sich heute nicht mehr in Lambach befinden. Für diese Handschriften wird, soferne keine ausführlicheren Informationen vorliegen, auf die Beschreibungen im handschriftlich im Stiftsarchiv Lambach vorliegenden Katalog von Felix Resch (gest. 1789) und auch, falls die betreffende Handschrift dort erwähnt ist, auf das Verzeichnis von Augustin Rabensteiner (gest. 1920) verwiesen, die über Manuscripta.at in digitalisierter Form zugänglich sind. Nach Möglichkeit wird der aktuelle Aufbewahrungsort angegeben; falls ein Digitalisat online verfügbar ist, wird darauf hingewiesen – wenn es mir bekannt geworden ist (für Hinweise und Ergänzungen bin ich sehr dankbar!). Nicht beabsichtigt ist eine Bibliographie zu den Handschriften, ebenso kann gegenwärtig auch nicht in jedem Fall die genaue Besitzgeschichte seit dem Verkauf durch Lambach angegeben werden. Vorläufig ebenfalls nicht berücksichtigt sind die zahlreichen Makulaturblätter aus Lambacher Handschriften, die sehr oft von den Trägerbänden getrennt in den Handel gekommen sind – ein größeres Konvolut solcher Fragmente ist etwa über die Sammlung des Schweizer Priesters Franz Josef Zinniker (gest. 1989 in Luzern) an die Beinecke Rare Book and Manuscript Library (Yale University) gekommen und dort mit Fragmenten anderer Herkunft in den Sammelbänden Beinecke MS 481 und Beinecke MS 482 vereinigt[6].

Alle mit Link zitierten Websites wurden am 24.4.2016 besucht.

Update 8.8.2016: nach einem Hinweis von Dr. Alois Haidinger (Email 29.6.2016), für den ich ihm herzlich danke, konnten die aktuellen Aufbewahrungsorte von Cml XII und XXX ergänzt werden.

Lambach, Cml LXXIII, f. 25r

Lambach, Cml LXXIII, f. 25r

Cml I
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml II
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml III
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml VI
Die Handschrift (Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner) ist vorhanden bis auf fol. 1  – dieses befindet sich heute in Washington DC, National Gallery of Art, Rosenwald Collection 1950.16.290 (Abbildung).

Cml VII
Die Handschrift (Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner) befindet sich heute in Cologny bei Genf, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 161. Ein vollständiges Digitalisat ist über e-codices zugänglich, dort ist auch die Katalogbeschreibung von Elisabeth Pellegrin (Manuscrits latins de la Bodmeriana [Cologny-Genève 1982] 370-378) verfügbar.

Cml VIII
In Lambach vorhanden sind nur noch der Einband und der Mittelteil (zwei Quaternionen entsprechend 16 Blättern) dieser Handschrift (Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner, in dessen Verzeichnis der Codex bereits als unvollständig beschrieben ist).

Cml IX
fehlt, Verbleib unbekannt. Enthält Augustinus, Enarrationes in Psalmos 101-117 und gehört zu Cml XVII, XVIII, LXV und LXIV (Beschreibung bei Resch).

Cml X
Nach Rhaban Haacke, Nachlese zur Überlieferung der Schriften Ruperts von Deutz, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 26 (1970) 528-540, hier 528 befindet sich die Handschrift (Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner) als Ms 318 im Besitz der Société des Bollandistes in Brüssel. Im Guide en ligne des manuscrits médiévaux Wallonie-Bruxelles ist allerdings für diese Bibliothek ein Ms 318 nicht genannt.
Update 1.12.2016: die Handschrift befindet sich nach wie vor in der Bibliothek der Bollandisten. Thomas Falmagne danke ich für die Verifizierung dieser Angabe.

Cml XI
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch.

Cml XII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner.
Update 8.8.2016: die Handschrift befindet sich in Solesmes, Bibliothèque de l’abbaye de Saint-Pierre Ms. 347. Ein vollständiges Digitalisat ist in der Bibliothèque Virtuelle des Manuscrits Médiévaux zugänglich. Alois Haidinger, dem ich für den Hinweis (29.6.2016) danke, datiert die Handschrift auf das letzte Viertel des 12. Jh. und verweist auf den sehr ähnlichen Buchschmuck in einem in Lambach entstandenen Missale der Stiftsbibliothek Melk, Cod. 709.

Cml XIII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3595 (Katalogbeschreibung)

Cml XVII
jetzt Leutkirch, Waldburg-Zeilisches Gesamtarchiv, Zms 5.
Enthält die Enarrationes in Psalmos 1-50 des Augustinus und gehört zu Cml XVIII, IX, LXV und LXIV. Beschreibung bei Resch und Rabensteiner.

Cml XVIII
Der zweite Band von Augustinus Enarrationes in Psalmos, enthaltend den Kommentar zu den Ps 51-100, zusammengehörig mit Cml XVII, IX, LXV und LXIV (Beschreibung bei Resch und Rabensteiner). Die Handschrift befand sich in der Sammlung des britischen Buchhändlers William Foyle, die im Juli 2000 bei Christie’s in London versteigert wurde – der Codex erzielte £ 245.750. Er befand sich zuletzt (gemeinsam mit Cml LX) in einer Schweizer Privatsammlung, ist aber 2015 neuerlich zum Verkauf angeboten worden[7].

Cml XX
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3596 (Katalogbeschreibung)

Cml XXI
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1116.

Cml XXII
Die Handschrift (Beschreibung in Resch und Rabensteiner) befindet sich jetzt in Stratton on the Fosse (Somerset, Großbritannien), Downside Abbey. Auf der Website der Abteibibliothek ist ein Detail aus der Handschrift als Ausschmückung verwendet. Eine knappe Beschreibung ist im Ergänzungsband zu Neil R. Ker’s Medieval Manuscripts in British Libraries veröffentlicht[8].

Cml XXIII
Die Handschrift (Beschreibung in Resch und Rabensteiner) befindet sich jetzt mit der Signatur Cod. Vat. lat. 14008 in der Vatikanischen Bibliothek.

Cml XXIV
jetzt Oxford, Bodleian Library, Lyell MS 55[9]

Cml XXV
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3597 (Katalogbeschreibung)

Cml XXVI
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3598 (Katalogbeschreibung)

Cml XXVIII
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1115

Cml XXIX
jetzt Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. theol. et phil. 2o 351 [10]

Cml XXX
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch und bei Rabensteiner.
Update 8.8.2016: die Handschrift befindet sich in Solesmes, Bibliothèque de l’abbaye de Saint-Pierre Ms. 346. Ein vollständiges Digitalisat ist in der Bibliothèque Virtuelle des Manuscrits Médiévaux zugänglich. Alois Haidinger, dem ich für den Hinweis (29.6.2016) danke, datiert die Handschrift auf das letzte Viertel des 12. Jh. und verweist auf den sehr ähnlichen Buchschmuck in einem in Lambach entstandenen Missale der Stiftsbibliothek Melk, Cod. 709.

Cml XXXIII
jetzt Leeds, University Library, Brotherton Collection MS 22. Eine knappe Beschreibung mit einigen Abbildungen gibt es hier. Etwas ausführlicher hat Neil R. Ker die Handschrift beschrieben[11].

Cml XLIII
jetzt Oxford, Bodleian Library, Lyell MS 56[12].

Cml LI
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1113

Cml LII
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1114

Cml LIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LVI
die Handschrift (ganz knapp beschrieben bei Resch) befindet sich jetzt in München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 28857 [13]

Cml LIX
jetzt München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 28873 [14]

Cml LX
Die Handschrift (beschrieben bei Resch) befand sich bis 2010 als Ms 21 in der Schøyen Collection (London / Oslo), gehört nun zur selben Schweizer Privatsammlung wie Cm XVIII und ist 2015 neuerlich zum Verkauf angeboten worden[15].

Cml LXI
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXII
Die Handschrift (Beschreibung bei Resch) befand sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Sammlung Ludwig in Aachen[16] und danach im Getty Museum in Malibu, ist aber inzwischen wieder in den Handel gelangt und derzeit unbekannten Verbleibs.

Cml LXIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXIV
Der fünfte und letzte Band von Augustinus Enarrationes in Psalmos, enthaltend den Kommentar zu den Ps 134-150, zusammengehörig mit Cml XVII, XVIII, IX, und LXV (Beschreibung bei Resch). Der Codex befindet sich heute in New Haven, Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Beinecke Ms 699 und ist vollständig digitalisiert.

Cml LXV
Der vierte Band von Augustinus Enarrationes in Psalmos, enthaltend den Kommentar zu den Ps 118-133, zusammengehörig mit Cml XVII, XVIII, IX und LXIV. Der Codex befindet sich heute in Frankfurt am Main, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. Lat. qu. 64 und ist vollständig digitalisiert[17].

Cml LXVI
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXVII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3599 (Katalogbeschreibung)

Cml LXIX
vermutlich jetzt Eugene (Oregon, USA), University of Oregon Library, Burgess Collection Ms 25

Cml LXX
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXXI
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXXIV
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3600 (Katalogbeschreibung)

Cml LXXV
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3601 (Katalogbeschreibung)

Cml LXXVI
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml LXXVII
jetzt Chicago, Newberry Library MS 6 [18].

Cml LXXVIII
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1117

Cml LXXIX
Die Handschrift wurde 1997 von der Österreichischen Nationalbibliothek bei Sotheby’s aus der Sammlung Beck[19] erworben und trägt jetzt die Signatur Cod. Ser. nov. 39678.

Cml LXXXVI
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3602 (Katalogbeschreibung)

Cml LXXXVII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3603 (Katalogbeschreibung)

Cml LXXXIX
jetzt Budapest, Országos Széchényi Könyvtár Cod. 446 [20]

Cml XCIII
jetzt Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms theol. lat. qu. 140 [21]

Cml XCIV
jetzt Baltimore, Walters Art Gallery Ms W.29 (Bilder des Einbandes)

Cml XCV
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 1112

Cml XCVI
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3604 (Katalogbeschreibung)

Cml XCVII
Die Handschrift (Beschreibung bei Resch) befand sich bis zum 2. Weltkrieg in der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin (Ms lat. qu. 922). Sie befindet sich heute in der Biblioteka Jagiellońska in Krakau[22].

Cml XCVIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml XCIX
Die Handschrift wurde 1951 gegen den Cod. 135 der Stiftsbibliothek Kremsmünster (jetzt Cml LXXIIIa) eingetauscht; sie trägt in Kremsmünster die Signatur Cod. 99a [23].

Cml C
Die Handschrift (Beschreibung bei Resch) war bis zum 2. Weltkrieg im Besitz der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin (Ms lat. qu. 915). Sie befindet sich heute in der Biblioteka Jagiellońska in Krakau[24].

Cml CII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3605 (Katalogbeschreibung)

Cml CIV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CV
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3606 (Katalogbeschreibung)

Cml CVI
jetzt Göttweig, Stiftsbibliothek Cod. 53b (rot) (vollständig digitalisiert)

Cml CVII
jetzt Berkeley, University of California, School of Law, Robbins Collection Ms 102
Update 9.8.2019: der oben angeführte Link ist tot. Angaben zur Handschrift und auch einige Bilder sind hier zu finden.

Cml CVIII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3607 (Katalogbeschreibung)

Cml CIX
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3608 (Katalogbeschreibung; die Handschrift ist digitalisiert)

Cml CXI
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3609 (Katalogbeschreibung)

Cml CXII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXIII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3610 (Katalogbeschreibung)

Cml CXIV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXV
jetzt Oxford, Bodleian Library, Broxbourne Ms 83.6 [25]

Cml CXVII
jetzt Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. brev. 166 [26]

Cml CXVIII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3611 (Katalogbeschreibung)

Cml CXIX
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 4837 (Katalogbeschreibung)

Cml CXXII
jetzt vermutlich Columbia, University of Missouri, Ellis Library, Special Collections, RARE RES PA6624.A4 1150. Knappe Beschreibung mit einigen Bildern hier.

Cml CXXIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXXVII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 4635 (Katalogbeschreibung)

Cml CXXVIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXXXIII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3612 (Katalogbeschreibung)

Cml CXXXV
jetzt Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. theol. et phil. 4o 648 (vollständig digitalisiert) [27]

Cml CXXXVIII
jetzt München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 28547 [28]

Cml CXLI
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 4637 (Katalogbeschreibung)

Cml CXLIII
jetzt Princeton (New Jersey, USA), University Library Ms 51 [29]

Cml CXLIV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXLV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CXLVII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 4636 (Katalogbeschreibung)

Cml CXLVIII
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch
Ergänzung 3.5.2016: Die Handschrift befindet sich heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, Ms lat. qu. 906 [29a]

Cml CXLIX
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CLII
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 14000.

Cml CLV
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nov. 3613 (Katalogbeschreibung)

Cml CLX
jetzt Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek Cod. theol. et phil. 4o 649 [30]

Cml CLXIV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CLXV
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CLXX
fehlt, Verbleib unbekannt. Beschreibung bei Resch

Cml CLXXXIX
jetzt Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. ser. nov. 4693 (Katalogbeschreibung)

Lambacher Bücherverzeichnis, um 1210 (Cml XIX, f. 227v)

Lambacher Bücherverzeichnis, um 1210 (Cml XIX, f. 227v)

[1] Zu den Beziehungen der Gebrüder Pez zum Stift Lambach vgl. Thomas Stockinger, Das Stift Lambach und die Forschungsvorhaben der Brüder Bernhard und Hieronymus Pez OSB, in: Stift Lambach in der Frühen Neuzeit. Frömmigkeit, Wissenschaft, Kunst und Verwaltung am Fluss. Tagungsband zum Symposion im November 2009. Hrsg. v. Klaus Landa, Christoph Stöttinger und Jakob Wührer (Linz 2012) 267-302 . Zur Tätigkeit der Gebrüder Pez ist außerdem immer das auf der Website des Vereins zur Erforschung Monastischer Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit bereitgestellte Material zu vergleichen.

[2] Thesaurus Anecdotorum Novissimus, Seu Veterum Monumentorum, praecipue Ecclesiasticorum, ex Germanicis potissimum Bibliothecis adornata Collectio recentissima. Bd. I/1 (Augsburg 1721), p. III (online hier).

[3] Kurt Holter, Zwei Lambacher Bibliotheksverzeichnisse des 13. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 64 (1956) 262-276; ders., Lambach, Stift. Sammlungsbestände: Die Handschriften und Inkunabeln, in: Die Kunstdenkmäler des Gerichtsbezirkes Lambach. Bearbeitet von Erwin Hainisch (Österreichische Kunsttopographie 34, Wien 1959) 213-267; sowie mehrere Beiträge, die im 2. Band von Kurt Holter, Buchkunst – Handschriften – Bibliotheken. Beiträge zur mitteleuropäischen Buchkultur vom Frühmittelalter bis zur Renaissance. Hrsg. von Georg Heilingsetzer und Winfried Stelzer (Schriftenreihe des Oberösterreichischen Musealvereins – Gesellschaft für Landeskunde 15-16, Linz 1996) nachgedruckt worden sind: Beiträge zur Geschichte der Stiftsbibliothek Lambach, 576-609 [zuerst in: Jahrbuch des Musealvereines Wels 15 (1969) 96-123]; Neue Beiträge zur Geschichte der Stiftsbibliothek von Lambach im hohen Mittelalter, 1037-1054 [zuerst in: Kunstgeschichtsforschung und Denkmalpflege. Festschrift für Norbert Wibiral (Schriftenreihe des Oberösterreichischen Musealvereines 13, Linz 1986) 85-98]; Das mittelalterliche Buchwesen des Benediktinerstiftes Lambach, 1103-1145 [zuerst in: 900 Jahre Klosterkirche Lambach. Katalog der Oberösterreichischen Landesausstellung 1989 im Benediktinerstift Lambach. Historischer Teil (Linz 1989) 53-64, 198-226]; Initialen aus einer Lambacher Handschrift des 12. Jahrhunderts (Ms. 5 des Fürstlich Waldburgschen Gesamtarchivs in Schloß Zeil in Leutkirch), 1191-1206 [zuerst in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 46/47 (1994) 255-265, 433-436].

[4] Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs Bd. 5: Oberösterreich. Bearbeitet von Herbert Paulhart (Wien / Köln / Graz 1971) 49-58.

[5] Robert G. Babcock, Reconstructing a Medieval Library. Fragments from Lambach (New Haven 1993); Lisa Fagin Davis, The Gottschalk Antiphonary. Music and Liturgy in Twelfth-Century Lambach (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology 8, Cambridge 2000).

[6] Ausführliche Beschreibungen der in den Sammelbänden befindlichen Fragmente finden sich hier: MS 481.1-50, MS 481.51-100, MS 481.101-144, MS 482, sowie das auf anderem Weg erworbene Fragment MS 484.2. Qualitätvolle Digitalisate können über die Beinecke Digital Collection unter der jeweiligen Signatur aufgefunden werden. Vgl. auch die oben Anm. 5 genannten Arbeiten von Babcock und Davis, wo versucht wird, zusammengehörige Fragmente zusammenzuführen.

[7] Laura Light – Christopher de Hamel, The Idda Collection. Romanesque Biblical Manuscripts c. 1000 to 1240 (Les Enluminures, Catalogue 19, Paris 2015) 174-187 Nr. 9.

[8] Neil R. Ker, Medieval Manuscripts in British Libraries. Vol. 5: Indexes and Addenda, ed. I. C. Cunningham and A. G. Watson (Oxford 2002) 10 Nr. 152.

[9] Catalogue of the Collection of Medieval Manuscripts Bequeathed to the Bodleian Library Oxford by James P. R. Lyell, compiled by Albinia de la Mare (Oxford 1971) 163-168.

[10] Helmut Boese, Neuerworbene Handschriften österreichischer Provenienz in Stuttgart, in: Codices manuscripti 3 (1977) 120-125, hier 121 Nr. 1.

[11] Neil R. Ker, Medieval Manuscripts in British Libraries. Vol. 3: Lampeter-Oxford (Oxford 1983) 57f.
Ergänzung 9.4.2017: Ausführlich beschäftigt sich mit dieser Handschrift nun Martin Schaller, Nachlese zu einem verschollen geglaubten Codex: Brotherton Collection (Leeds) MS 22 (olim: Lambach, Cml XXXIII; olim: Reichenbach/Regen), in: Codices manuscripti & impressi Heft 106 (Dezember 2016, erschienen 2017) 11-18 — leider ohne diesen Blogbeitrag zu zitieren.

[12] Catalogue of the Collection of Medieval Manuscripts Bequeathed to the Bodleian Library Oxford by James P. R. Lyell, compiled by Albinia de la Mare (Oxford 1971) 168-174.

[13] Nach Holter, Beiträge (wie Anm. 3) 580 und 589.

[14] Elisabeth Klemm, Die illuminierten Handschriften des 13. Jahrhunderts deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek (Wiesbaden 1998) 120f. Nr. 104.

[15] Laura Light – Christopher de Hamel, The Idda Collection. Romanesque Biblical Manuscripts c. 1000 to 1240 (Les Enluminures, Catalogue 19, Paris 2015) 188-205 Nr. 10.

[16] Die Handschriften der Sammlung Ludwig. Beschr. v. Anton von Euw und Joachim Plotzek. Bd. 1 (Köln 1979) 53-57.

[17] Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppe Manuscripta Latina. Beschrieben von Karin Bredehorn und Gerhardt Powitz (Kataloge der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 4: Die Handschriften der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 3, Frankfurt am Main 1979) 59-61.

[18] Paul Saenger, A catalogue of the pre-1500 western manuscript books at the Newberry Library (Chicago/London 1989) 14-17.

[19] Sotheby’s, The Beck Collection of Illuminated Manuscripts. London 16 June 1997, lot 6.

[20] Emma Bartoniek, Codices latini medii aevi (Budapest 1940) 400f.

[21] Valentin Rose, Verzeichniss der Lateinischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin, Zweiter Band: Die Handschriften der Kurfürstlichen Bibliothek und der Kurfürstlichen Lande, Zweite Abteilung (Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin 13, Berlin 1903) 842-845; Andreas Fingernagel, Die illuminierten lateinischen Handschriften deutscher Provenienz der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz Berlin (8.-12. Jahrhundert) (Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz. Kataloge der Handschriftenabteilung, Reihe 3 Illuminierte Handschriften Bd. 1/1-2, Wiesbaden 1991) 28-31.

[22] Der Codex ist nicht erwähnt in Wolfgang Milde, Lateinische Handschriften der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek Berlin in der Biblioteka Jagiellonska Krakau, in: Codices manuscripti 12 (1986) 85-89, und – da nicht in den von Valentin Rose erstellten Katalogen beschrieben – auch nicht in Walter Berschin, Die in Valentin Roses Katalog beschriebenen Berliner Handschriften und ihr Verbleib, in: Mittellateinisches Jahrbuch 22 (1987) 334-348. Die Mitteilung, daß er den 2. Weltkrieg überstanden hat, verdanke ich Anne-Beate Riecke, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin (Email 3.5.2016).

[23] Katalog der Handschriften des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Teil 1: Von den Anfängen bis in die Zeit des Abtes Friedrich von Aich (ca. 800-1325). Beschr. v. Hauke Fill (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 166 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters II,3,1, Wien 1984) 131-135.

[24] Vgl. die in Anm. 22 genannten Veröffentlichungen. Eine detailliertere Inhaltsangabe findet sich in Ernst Muellenbach, Comoediae elegiacae I (Bonn 1885) 38-49. Die Mitteilung, daß der Codex den 2. Weltkrieg überstanden hat, verdanke ich Anne-Beate Riecke, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin (Email 3.5.2016).

[25] Bereits in Holter, Beiträge (wie oben Anm. 3) 98 (Ndr. 580) erwähnt, allerdings mit der überholten Signatur Broxbourne Ms 820.

[26] Boese, Neuerworbene Handschriften (wie Anm. 10) 121 Nr. 2; Ernst Virgil Fiala – Wolfgang Irtenkauf, Codices breviarii (Cod. brev. 1-167) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, R. 1, Bd. 3, Wiesbaden 1977) 199f.

[27] Boese, Neuerworbene Handschriften (wie Anm. 10) 121 Nr. 3.

[28] Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München: Clm 28461-28615. Beschr. v. Dieter Kudorfer (Wiesbaden 1991) 141-145.

[29] Don C. Skemer, Medieval & Renaissance Manuscripts in the Princeton University Library (Princeton 2013) Bd. 2, 240-243.

[29a] Diese Information verdanke ich der freundlichen Mitteilung von Anne-Beate Riecke, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (Email 3.5.2016).

[30] Boese, Neuerworbene Handschriften (wie Anm. 10) 121f. Nr. 4.

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Wigbod in Heiligenkreuz – eine Bestätigung

Eine der Hauptbeschäftigungen während meiner MA Arbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung war die Suche nach bisher unbekannten Heiligenkreuzer Handschriften in der Österreichischen Nationalbibliothek[1]. Die Art der Untersuchung und auch der Zeitrahmen der Arbeit bringen es mit sich, dass eine solche Suche niemals wirklich abgeschlossen werden kann. Mit jeder neuen Handschrift und mit jeder weiteren Forschung zur mittelalterlichen Bibliothek wächst die Zahl der möglichen Indizien, die zur Neuidentifikation herangezogen werden können[2]. In diesem Blogbeitrag soll es daher um die Zuweisung von Cod. 1004 der Österreichischen Nationalbibliothek an Heiligenkreuz gehen und damit um die Bestätigung einer von Michael Gorman in den 1990ern geäußerten Theorie.

Der früheste gesicherte Vorbesitzer von ÖNB Cod. 1004 war bisher der Humanist Johannes Alexander Brassicanus (1500-1539)[3], der den Titel am Vorderdeckel und die Überschrift auf fol. 17r eintrug. In Tübingen geboren, unterrichtete er in seiner Heimatstadt, in Ingolstadt und schließlich in Wien, wo auch er verstarb. Brassicanus durchstreifte während seiner Wiener Zeit diverse umliegende Klöster auf der Suche nach mittelalterlichen Handschriften, die er einerseits seiner Bibliothek einverleibte, andererseits als Grundlage für von ihm herausgegebene Drucke verwendete. Auf diese Weise gelangte etwa eine Abschrift des Genesiskommentars von Claudius von Turin aus der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz in seine Hand, die die Grundlage für die editio princeps des Textes wurde und heute verloren ist[4]. Heiligenkreuz muss überhaupt für Brassicanus‘ Akquisitionspolitik eine herausragende Rolle gespielt habe: er besaß nach momentanem Forschungsstand mindestens zehn Handschriften aus der Stiftsbibliothek. Brassicanus Sammlung gelangte nach seinem Tod an den Wiener Bischof Johannes Fabri (1478-1541)[5]. Fabri stiftete seine Bibliothek, wie auch der am vorderen Innendeckel von ÖNB Cod. 1004 angebrachte Zettel zeigt[6], der von ihm gegründeten Einrichtung für arme Studenten im Nikolauskollegium in der Wiener Singerstraße[7]. Aus der Zeit des Aufenthalts dort stammen wohl auch die Kettenspuren am Hinterdeckel der Handschrift, die in gleicher Weise auf anderen Handschriften und Inkunabeln dieser Provenienz zu finden sind. Später gelangte die Fabri-Bibliothek in die alte Universitätsbibliothek, die 1756 in die Hofbibliothek eingegliedert wurde[8].

Testatzetttel des Wiener Bischofs Johannes Fabri in ÖNB Cod. 1004

Testatzetttel des Wiener Bischofs Johannes Fabri in ÖNB Cod. 1004

ÖNB Cod. 1004 fol. 17r mit Titel von der Hand Brassicanus'

ÖNB Cod. 1004 fol. 17r mit Titel Brassicanus‘

 

 

 

 

 

 

Nicht völlig geklärt war bisher die mittelalterliche Provenienz bzw. der Entstehungsort der Handschrift. In seinem Aufsatz „The Commentary on Genesis of Claudius of Turin and Biblical Studies under Louis the Pious“ vermutet Michael Gorman, der sich inhaltlich mehrfach mit ÖNB Cod. 1004 auseinandergesetzt hat, Heiligenkreuz als ehemaligen Besitzer des Codex[9]. Als Hinweis dient ihm eine ausführliche Bücherliste für den Bibliotheksbestand des Stiftes im späten 14. Jahrhundert[10], die unter den Werken Alkuins folgenden Eintrag enthält: Super Genesim, De operibus sex dierum cuiusdam, Explanacio Exodi Vinchwoldi ex libris sanctorum patrum, Explanacio Levitici eiusdem[11]. De mansionibus filiorum Israel[12]. Der Titel des Beda-Werkes stimmt mit der Rubrik Expositio cuiusdam de operibus sex dierum auf fol. 1v von ÖNB Cod. 1004 gut überein, und der obskure Name Vinchwoldi könnte, so Gorman, eine Verschreibung für Wigbodus sein. Tatsächlich wäre eine derartige Verschreibung gerade im Fall der betreffenden Heiligenkreuzer Bücherliste keine Überraschung. Wie schon Gottlieb in seiner selbst nicht ganz fehlerlosen Edition bemerkte, handelt es sich bei den heute erhaltenen neun Blättern um eine zeitnahe Abschrift mit diversen Kopierfehlern.

Beginn des Eintrag zu Alkuin, Heiligenkreuzer Bücherliste vor 1381, fol. 6r (Teil)

Beginn des Eintrag zu Alkuin in der Bücherliste von Heiligenkreuz aus dem späten 14. Jh., Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Fragment 15, fol. 6r (Teil)

Ein Vergleich mit der nächsten Rubrik, zu Beginn von Wigbods Genesisauslegung, ist nicht mehr möglich. An dieser Stelle steht heute auf Rasur von der Hand Brassicanus der generische Titel Super Genesim. Tatsächlich ist man jedoch nach den jüngsten Forschungsarbeiten zu Bibliothek und Scriptorium von Heiligenkreuz auf dieses Indiz nicht mehr angewiesen, da die kodikologische und paläographische Untersuchung die Provenienz Heiligenkreuz eindeutig bestätigen können.

Ein Aufenthalt in der Stiftsbibliothek im Spätmittelalter ist durch den kleinen Eintrag 4or auf fol. 131v gesichert (siehe Abb.). Er stammt von der Hand eines Annotators des 15. Jahrhunderts, dessen Einträge mit dicker Feder und tiefschwarzer Tinte in vielen Handschriften der Stiftsbibliothek zu finden sind[13].

Quatuor_OeNB_Cod_1004

Annotator des 15. Jh. in ÖNB Cod. 1004 fol. 131v

quatuor_HLK_Cod_100g

Annotator des 15. Jh. in Heiligenkreuz Cod. 100 fol. 85r

 

 

 

 

 

Die Handschrift ist überdies mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Stift selbst entstanden: Hauptschreiber ist die Hand HLK 62 C[14], die in Cod. 62 (1134-1147) und Cod. 135 (3. Viertel 12. Jh.) der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz nachgewiesen werden kann (siehe Abb.). Die genaue Datierung von ÖNB Cod. 1004 hängt von seinem Nachweis in der ersten erhaltenen Heiligenkreuzer Bücherliste ab[15], die wahrscheinlich um 1147 entstanden ist. Unter dem Abschnitt alii libri in dieser Liste findet sich der Eintrag Alcuinus I volumen (Abb. hier). Da ÖNB Cod. 1004 in der Bücherliste des späten 14. Jahrhunderts unter die Werke Alcuins eingeordnet ist, könnte der ältere Eintrag ebenso auf diese Handschrift verweisen. Aufgrund der knappen Beschreibung lässt sich dies jedoch nicht eindeutig beweisen.

In Summe konnte damit eine weitere Handschrift eindeutig Stift Heiligenkreuz zugeordnet werden, vielleicht sogar der frühesten Phase der Stiftsbibliothek.

ÖNB Cod. 1004 fol. 24r

ÖNB Cod. 1004 fol. 24r

[1] Katharina KASKA, Untersuchungen zum mittelalterlichen Buch- und Bibliothekswesen im Zisterzienserstift Heiligenkreuz (MA Arbeit an der Universität Wien 2014). Siehe zusammenfassend auch Katharinina KASKA, Neu identifizierte Heiligenkreuzer Handschriften in der Österreichischen Nationalbibliothek, in: Scriptorium. Wesen – Funktion – Eigenheiten. Comité international de paléographie latine, XVIII. Kolloquium. St. Gallen 11.-14. September 2013. Hg. v. Andreas Nievergelt/Rudolf Gamper/Marina Bernasconi/Birgit Ebersperger/Ernt Tremp (München 2015) 391-407.

[2] Zu Forschungen zum Skriptorium Heiligenkreuz siehe die Zusammenstellung von Alois HAIDINGER und Franz LACKNER auf www.scriptoria.at und besonders DIES., Die Bibliothek und das Skriptorium des Stiftes Heiligenkreuz unter Abt Gottschalk (1134 – 1147) (Codices manuscripti et impressi Supplement 11, Purkersdorf 2015).

[3] Zu Brassicanus: Christian GASTGEBER, Art. „Brassicanus (Köl), Johannes Alexander“, in: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520-1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon. Bd. 1 (Berlin-Boston 2011) Sp. 341-347 und mit ausführlicher Literaturliste DERS. , Miscellanea Codicum Graecorum Vindobonensium II: Die griechischen Handschriften der Bibliotheca Corviniana der Österreichischen Nationalbibliothek. Provenienz und Rezeption im Wiener Griechischhumanismus des frühen 16. Jahrhunderts (ÖAW Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse 465 = Veröffentlichungen zur Byzanzforschung 34, Wien 2014) 195-199. Liste der Handschriften aus Brassicanus Besitz von Friedrich SIMADER: http://www.onb.ac.at/sammlungen/hschrift/kataloge/universitaet/Register.htm.

[4] Siehe zuletzt Lukas DORFBAUER, Der Genesiskommentar des Claudius von Turin, der pseudoaugustinische Dialogus quaestionum und das wisigotische Intexuimus. Revue d’histoire des textes 8 (2013) 269–306.

[5] Ausführlicher Literaturüberblick zu Fabri und seiner Bibliothek in GASTGEBER, Miscellanea (wie Anm. 3) 59f.

[6] Zur Beschreibung von ÖNB Cod. 1004 im Inventar der Fabri-Bibliothek siehe Friedrich SIMADER, Materialien zur Bibliothek des Wiener Bischofs Johannes Fabri, in: Christian GASTGEBER– Elisabeth KLECKER, Iohannes Cuspinianus (1473-1529). Ein Wiener Humanist und sein Werk im Kontext (Singularia Vindobonensia 2, Wien 2012) 267-285, hier 280.

[7] Das Nikolauskollegium wurde ursprünglich für Zisterzienser gegründet, die an der Universität Wien studierten und bestand zwischen 1385 und 1525 (unter Aufsicht des Abtes von Heiligenkreuz). Siehe Ferdinand MAURER, Das Kollegium zum hl. Nikolaus an der Universität in Wien. Beiträge zur Österreichischen Erziehungs- und Schulgeschichte 11 (1909) V-43.

[8] Siehe etwa Josef STUMMVOLL, Geschichte der Österreichischen Nationalbibliothek. Erster Teil: Die Hofbibliothek (1368-1922) (Museion N.F. 2/3/1, Wien 1968) 240.

[9] Michael M. GORMAN, The Commentary on Genesis of Claudius of Turin and Biblical Studies under Louis the Pious, Speculum 72 (1997) 279-329, hier 304 Anm. 91, wieder abgedruckt in DERS., Biblical Commentaries from the Early Middle Ages (Florenz 2002) 237-287, hier 262 Anm. 91; Er erwähnt die Provenienz auch in: Wigbod and Biblical Studies under Charlemagne. Revue Benedictine 107 (1997) 40-76, hier S. 63 Anm. 73; wieder abgedruckt wie oben S. 200-236, hier 223 Anm. 73.

[10] Ediert in Theodor GOTTLIEB, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs 1: Niederösterreich (Wien 1915, Nachdr. Aalen 1974) 34-74 (online).

[11] Gottlieb liest cuiusdam. Sowohl paläographisch als auch inhaltlich scheint eiusdem jedoch passender: Im Abschnitt Vinchwoldi (S. 62 Z 16-19) heißt es: Explanacio exodi ex verbis sanctorum patrum require in volumine Alquini super genesim. Explanacio Levitici ibidem. De mansionibus filiorum Israel ibidem. Es werden also alle drei Werke „Vinchwoldus“ zugeschrieben

[12] Dabei handelt es sich um Wigbods Expositio Numeri.

[13] Siehe zu ihm KASKA, MA Arbeit (wie Anm. 1) 78.

[14] Die Handbezeichnung folgt der Arbeit von Alois HAIDINGER auf www.scriptoria.at .

[15] GOTTLIEB, MBKOE I (wie Anm. 10) 18-21 (online).

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Sentences Commentaries from the Early University of Vienna under the Palaeographical Magnifying Glass

We should have been aware of it for a long time. At least since it was established that even the charter of privileges of the University was written by one of its theologians: Paul of Geldern, an influential clerk from the early Faculty of Theology in Vienna, drafted the University’s solemn charter in 1384.[i] Paul of Geldern was indeed one of the most zealous scribes from the first generation of Viennese theologians. He wrote not only to carry out a command of Duke Albrecht III, but also to lay down, among other works, the first part of the majestic commentary on Genesis, produced by his colleague Henry of Langenstein and preserved in Vienna ÖNB Cod. 4841, his own principial lectures and Sentences commentary in Erfurt CA fol. 173, or a disputed question in Erfurt CA fol. 60.[ii]

So it should come as no real surprise that the Viennese theologians wrote many texts in their own hands. When speaking of their duties at the University, especially the Faculty’s administration[iii] and significant teaching matters appear to have been written by the deans and the teachers. Faculty acts have long been studied and edited. But why not put aspects of Viennese teaching under the palaeographical magnifying glass? From the Faculty of Theology, the Sentences Commentaries and their introductory lectures, the so-called principia emerge as a first relevant subject of enquiry.[iv] The most valuable witness in this field is Nicholas of Dinkelsbühl’s handwritten commentary from the beginning of the 15th century, preserved in Vienna Schottenstift 269 (274). Dinkelsbühl’s commentary is identified as the main source for his contemporaries in the Vienna Group, who copied and reused the text of their common master in their own lectures on Lombard’s Sentences producing the so-called Vienna Group Commentary.[v] Now these copy-pasted commentaries were very often written by the re-users themselves, as is evident in some manuscripts held in Vienna. Peter of Pulka, who lectured on the Sentences between 1403 and 1405, left the commentaries on Book I, II and III along with biblical and sentential principia in autograph manuscripts in ÖNB Cod. 4668, Cod. 4713 and Cod. 4939.[vi] One further example from a decade later has long been unknown; however it belongs to the prominent Viennese intellectual, John of Gmunden. Paul Uiblein noticed as early as 1973 that ÖNB Cod. 4422 must contain Gmundenʼs commentary on Book II of the Sentences.[vii] Not only did the manuscript belong to Gmunden, but it was written down by him for its major part. Moreover, the watermarks allow a precise dating of the codex to the years when Gmunden lectured on Lombardʼwork: the biennium of 1416–17.

Sometimes, autograph marks are more restrained. ÖNB Cod. 5067’s principia and the commentary on Book I of the Sentences have recently been identified as belonging to John Angrer of Müldorf.[viii] Besides the arguments already listed, one palaeographical proof could be introduced in favour of Angrer’s authorship, or more precisely, against the long supposed authorship of John Wuel of Pruck, the scribe of ÖNB Cod. 5067. For the explicit of John Wuel of Pruck is followed by a further remark in a different hand: “In die sanctorum Gervasy et Prothasy finivi primum Sententiarum legendo anno etc. vicesimo secondo.” This second hand, using the first person singular for having lectured on Book I of the Sentences in 1422, must be that of the author of the commentary on Book I.

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ÖNB Cod. 4907, f. 264r: signature tests of John Angrer

 

The same pattern of dating lectures secundum alium in one’s own hand seems to have been used much later by the Dominican Professor, Leonard Huntpichler. Huntpichler lectured in 1446 on Book III of the Sentences of Narcissus Herz of Berching, as can be deduced from Cod. 109/75 of the library of the Viennese Dominicans. Cod. 109/75 contains the Commentary of Narcissus along with a principium, ample marginal notes and a dating alternately from Leonhard Huntpichlerʼs or his secretaryʼs hand. On f. 135r, it is nevertheless Huntpichler who notes and confirms his lecturing secundum Narcissum: “Distinctio 22. Hanc legi anno 46 in vigilia assumptionis in alma universitate viennensi in Austria.”[ix]

In contrast to the collective Sentences commentaries of the Vienna Group, the principia reflected faculty debates and substantiated individual positions of the lecturer starting his courses. From the early 15th century, ÖNB Cod. 4593, ff. 100r–126v contain the sentential principia and lists of question from biblical commentaries of Theodoric Rudolfi of Hammelburg. These principia can be ascribed to Theodoric, since Paul Uiblein has already identified his handwriting in this part of the manuscript,[x] and also for many concordant elements. The principia are dated to 1411 and 1412, and do refer to the concurrently reading John of Basilea OP, at that time prior of the Viennese Dominicans, and Ulrich of Patavia. Incidentally, they contain the protestaciones stipulated in the Faculty statutes.[xi]

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ÖNB Cod. 4593, f. 112v: Explicit of the second principium on Book IV of the Sentences dated to 1411 and a list of authorities

One further example of principia written in the author’s own hand is to be found in Schottenstift 254 (230). This other manuscript of the Viennese Benedictines holds a Sentences Commentary attributed to Nicholas of Dinkelsbühl gathered by Martin of Lewbicz OSB, in which the first folios enclose a set of principia written in a hand different to the rest. Among the candidates for the authorship of these principia (Andreas of Waytra, Urban of Melk, John Nider OP) from 1423–25,[xii] Andreas of Waytra appears most likely to have drafted, corrected and added marginalia to these pages; in other words he is the author of these principial lectures.[xiii]

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Vienna, Schottenstift 230 (254), f. 1r with a red ink dating of the lectures at the bottom

 

An example dated exactly ten years later is supplied in ÖNB Cod. 4719, ff. 16r–51r carrying the autograph sentential principia of Thomas Wölfel of Wuldersdorf.[xiv]

Putting together these more or less recent pieces of the jigsaw offers a rather elaborate picture of the Viennese practice of Sentences commentaries. We realise that we are presented with so many autographs of Sentences commentaries or their principia in Vienna that writing these texts in one’s own hand must have been the silent, but persistent rule, irrespective of the degree of “originality” of the content. Appealingly for our concept of the Vienna Group Commentary, quasi identical Sentences commentaries appear to have been patiently copied or provided with meticulous marginalia, undermining the theory of pointedly careless Viennese theology. Handwriting denotes individuals within the common project of the Vienna Group. While authorship must finally be attributed to the selection of certain texts which constitute the Sentence commentary of a Peter of Pulka, a John of Gmunden or a John Angrer of Müldorf, it is nevertheless primarily identical with handwriting.

Finally, whichever generation we look at, Viennese theologians from Paul of Geldern onwards offer us handwriting as a typically individual feature magnifying their own efforts. This should definitely encourage us to recognise the subtle doctrinal differences between particular authors.

[i] Ch. Lackner, „Diplomatische Bemerkungen zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom Jahre 1384“. MIÖG 105 (1997) 114–29.

[ii] Many thanks to Christian Lackner for ascribing the disputed question in Erfurt CA fol. 60, ff. 66r˗v to Paul of Geldern. For Erfurt CA fol. 173 see M. Sokolskaya, „Paul von Geldern – ein Wiener Universitätstheologe aus dem Ende des 14. Jahrhunderts. Zur Handschrift 2°173 der Collectio Amploniana zu Erfurt“. Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte 8 (2012) 193-236.

[iii] P. Uiblein, Die Akten der Theologischen Fakultät der Universität Wien (1396–1508) (AThF) (Vienna 1978), 2 vols.

[iv] I am working on an updated list of Bible commentaries from the University of Vienna (1384–c. 1420), several of which were also written down by the authors themselves.

[v] M. Brînzei – Ch. Schabel, „The Past, Present, and Future of Late Medieval Theology: The Commentary on the Sentences by Nicholas of Dinkelsbühl, Vienna, ca. 1400″, in Ph.W. Rosemann, Mediaeval Commentaries on the Sentences of Peter Lombard (Leiden 2015), vol. 3, 174–266.

[vi] P. Uiblein, „Zur Lebensgeschichte einiger Wiener Theologen des Mittelalters“, in Id., Die Universität Wien im Mittelalter (Vienna 1999), 326–28.

[vii] P. Uiblein, „Zur Biographie des Johannes von Gmunden“, in Beiträge zur Kopernikus-Forschung (Linz 1973) 35; Id., „Johannes von Gmunden. Seine Tätigkeit an der Wiener Universität“, in Id., Die Universität Wien im Mittelalter, 363–4.

[viii] W. J. Courtenay, „From Dinkelsbühlʼs Questiones Communes to the Vienna Group Commentary. The Vienna ‘Schoolʼ, 1415–1425″, in M. Brînzei (ed.), Nicholas of Dinkelsbühl and the Sentences at Vienna in the Early Fifteenth Century (Turnhout 2015) 287–291.

[ix] F. Lackner, „Das Principium im Cod. 109/75 des Wiener Dominikanerkonventes“, Codices manuscripti 5 (1979) 48–57.

[x] P. Uiblein (ed.), Dokumente zum Passauer Bistumsstreit von 1423 bis 1428 (Vienna 1984) 362.

[xi] R. Kink (ed.), Geschichte der kaiserlichen Universität Wien (Vienna 1854) vol. 2, 102 (online). For more about the protestaciones see Ueli Zahnd, „Disputing without socii. The Principium on Book IV of Conrad of Rothenburg, Vienna 1408–09″, in M. Brînzei – W. Duba (eds.), Les principia sur les Sentences. Entre exercice institutionnel et débat philosophique (Turnhout 2017), forthcoming.

[xii] Courtenay, „From Dinkelsbühlʼs Questiones Communes to the Vienna Group Commentary“, 291–3.

[xiii] I thank Martin Wagendorfer, who kindly confirmed my supposition. I would nevertheless leave the question open, whether the commentary included in Schotten 230 also belongs to Andreas of Waytra.

[xiv] Uiblein, Die Akten der Theologischen Fakultät, 474, note 667. For other evidence see Courtenay, „From Dinkelsbühlʼs Questiones Communes to the Vienna Group Commentary“, 293–5.

Uibleinʼs notes in volume 2 of the AThF provide more identification of autograph manuscripts than those randomly quoted above.

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Von Salem nach Admont

Admont, das im steirischen Ennstal gelegene, 1074 vom Salzburger Erzbischof Gebhard gegründete Benediktinerkloster, und Salem, das um 1134 nahe dem Bodensee gegründete Zisterzienserkloster, scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben. Und doch hat bereits 1888 der Admonter Benediktiner und Bibliothekar Jakob Wichner in seinem Bibliothekskatalog zwei Handschriften der Admonter Bibliothek beschrieben, die aus Salem stammen. Wichners Katalog ist ungedruckt geblieben (Digitalisat des Katalogeintrags), aber der Hinweis wurde von Paul Buberl in sein 1911 veröffentlichtes Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Admont und Vorau[1] aufgenommen und so der Forschung allgemein zugänglich. Die Handschriften – CAd 31 und 32 – sind daher auch in Sigrid Krämers Handschriftenerbe als aus Salem stammend erwähnt[2]; trotzdem haben sie bisher in der die Geschichte des Salemer Schrift- und Buchwesens betreffenden Literatur keine Beachtung gefunden[3] .

CAd 31, f. 1v

CAd 31, f. 1v

Die beiden Codices überliefern die vom Pariser Magister Petrus Cantor (gest. 1197) verfassten Glossen zur Evangelienharmonie Unum ex quatuor[4]. Der umfangreiche Text (die beiden Codices enthalten je 128 Blätter) war zunächst in einem Band gebunden, ist aber schon frühzeitig auf zwei Bände aufgeteilt worden. In CAd 31 bricht der Text auf f. 128vb in der Glosse zu Mt 19, 12 ab. In der Mitte des unteren Randes der Seite steht eine Kustode XVIus und rechts davon eine Reklamante nunc oblati sunt ei paruuli (Mt 19, 13). Tatsächlich beginnt der Text in CAd 32 f. 1ra mit genau diesen Worten – allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass zwar am linken Rand ein N für den Miniator vorgemerkt ist, dieser aber in Übereinstimmung mit dem Bibeltext ein T(unc) ausgeführt hat. Am unteren Rand von f. 8v findet sich die Kustode XVIIus, womit noch einmal die ursprüngliche Einheit der beiden Codices bewiesen ist. Die Trennung in zwei Bände muss jedenfalls frühzeitig erfolgt sein, denn im 1376 angelegten Admonter Bücherverzeichnis des Petrus von Arbon ist das Werk bereits als zweibändig beschrieben: Item prima pars Petri Parisiensis super unum ex quatuor, incipit „In principio“. Item secunda pars eiusdem, incipit „Tunc oblati“[5] . Dazu passen auch die Einbände, deren Gestaltung in Admont öfter zu finden ist – einfache hellbraune Ledereinbände mit Langschließen, Streicheisenlinien und jeweils auf dem Vorderdeckel aufgeklebten Titelschildern mit dem für beide Bände übereinstimmenden Text Glosa magistri Petri Parisiensis super unum ex quatuor[6].

Interessant sind die Besitzvermerke, die sich in den Bänden finden. Unmittelbar an das Textende in der letzten Zeile von f. 128vb in CAd 31 schließt von anderer aber etwa gleichzeitiger Hand geschrieben Liber sancte Marie uirginis ohne eine Ortsbezeichnung an. In CAd 32 findet sich einerseits auf der Versoseite eines ungezählten Vorsatzblattes ein eindeutig Admonter Besitzvermerk wohl des 13. Jahrhunderts: Liber iste pertinet ad ecclesiam sancte Marie et sancti Blasii in Agmunt. Sehr ungewöhnlich ist freilich das Marienpatrozinium, das in Admonter Besitzvermerken sonst nicht vorkommt[7].

CAd 32, Rückseite des Vorsatzblattes

CAd 32, Rückseite des Vorsatzblattes

Richtig interessant wird es dann auf f. 128va. Unter dem Explicitvermerk des Textes hat eine nahzeitige Hand in vergrößerter Schrift Liber sancte Marie uirginis eingetragen; danach folgt eine Rasur, doch sind unschwer die Worte in salem zu erkennen. Offenkundig wurde hier der Versuch unternommen, die eigentliche Herkunft des Bandes zu verschleiern, und vielleicht ist auch die Erwähnung des ungewöhnlichen Marienpatroziniums im sicher Admonter Besitzvermerk auf dem Vorsatzblatt so zu verstehen.

CAd 32, f. 128va (Detail)

CAd 32, f. 128va (Detail)

Jedenfalls dürfte es sich bei dem Vermerk auf f. 128va um einen der ältesten bekannten Salemer Besitzvermerke handeln – zumindest lässt dies der Vergleich mit den Besitzvermerken in den bisher online zugänglichen Salemer Handschriften vermuten[8] .

Eine Sammlung früher Besitzvermerke aus Salemer Handschriften, heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Eine (unvollständige) Sammlung früher Besitzvermerke aus Salemer Handschriften, heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Gibt es Anhaltspunkte für Kontakte zwischen Salem und Admont im Mittelalter? Außer den beiden besprochenen Handschriften sind bisher keine bekannt geworden; alles Weitere ist daher hypothetisch und spekulativ. Es ist aber daran zu erinnern, dass Salem seit Beginn des 13. Jahrhunderts in enger Beziehung zum Salzburger Erzbischof stand: Erzbischof Eberhard II.[8] hatte am 16. Dezember 1201 dem Abt und Konvent von Salem im Gegenzug zur Selbstunterstellung des Klosters unter das Erzbistum eine Saline in Hallein geschenkt[10]. Dieser sehr interessante Vorgang, dessen Hintergrund vermutlich in den verwandtschaftlichen Beziehungen Erzbischof Eberhards in den Bodenseeraum und zur Salemer Stifterfamilie zu suchen ist, war der Anfang einer bis zur Aufhebung Salems 1803 andauernden engeren Verbindung zwischen Kloster und Erzbistum, die sich für Salem als außerordentlich lukrativ erweisen sollte[11]. Auch Admont war nicht nur durch seine Lage in der Erzdiözese sondern auch durch seine Gründung durch Erzbischof Gebhard eng mit Salzburg verbunden. Wie Salem profitierte auch Admont von der Salzgewinnung in Hallein; beide Klöster hatten mitunter Aufträge des Erzbischofs zu erfüllen. Vielleicht entstanden auf diese Weise die Kontakte, die der Salemer Petrus Cantor-Handschrift ihre Wanderung nach Admont ermöglichte? Jedenfalls wäre es nun interessant, die CAd 31 und 32 einer genaueren paläographischen und kunsthistorischen Untersuchung zu unterziehen und Buberls Einordnung als „nordfranzösische (Pariser) Arbeit aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts“[12] im Lichte jüngerer Forschungen zur Salemer Buchproduktion einer Überprüfung zu unterziehen.

[1] Paul Buberl, Die illuminierten Handschriften in Steiermark I: Die Stiftsbibliotheken zu Admont und Vorau (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich IV/1 = Publikationen des k.k. Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Leipzig 1911) 149 Nr. 126; online hier.

[2] Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters 2 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband I, München 1989) 701.

[3] Ewald Jammers, Die Salemer Handschriftensammlung, in: Bibliotheca docet. Festschrift Carl Wehmer (Amsterdam 1963) 45-64; Wilfried Werner, Schreiber und Miniatoren – ein Blick in das mittelalterliche Skriptorium des Klosters Salem, in: Salem. 850 Jahre Reichsabtei und Schloß. Ed. Reinhard Schneider (Konstanz 1984) 295-342.; Andrea Fleischer, Zisterzienserabt und Skriptorium. Salem unter Eberhard I. von Rohrdorf (1191-1240) (Imagines Medii Aevi 19, Wiesbaden 2004).

[4] Friedrich Stegmüller, Repertorium biblicum Bd. 4 (Madrid 1954) 267 Nr. 6504.

[5] Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs Bd. 3: Steiermark. Bearb. v. Gerlinde Möser-Mersky (Graz / Wien / Köln 1961) 24 Z. 40-42. Ebenso im zweiten Verzeichnis des Petrus von Arbon von 1380, ebd. 39 Z. 11-13.

[6] Der Einband von CAd 31 ist 1958 von Eleonore Klee (St. Florian) restauriert worden. Sie hat auch den – Wichners Katalogbeschreibung zufolge schwer schadhaft gewesenen – Einband von CAd 32 durch einen neuen, dem alten Einband nachempfunden Einband ersetzt; das alte Titelschild ist auf dem neuen Vorderdeckel aufgeklebt.

[7] Nachtrag 12.2.2016: P. Maximilian Schiefermüller (Stiftsbibliothekar und Archivar von Admont) danke ich für den Hinweis, dass Admont bis ins späte Mittelalter tatsächlich das Doppelpatrozinium Blasius und Maria besaß. Vgl. auch Jakob Wichner, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Admont. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1177 (Graz 1874) 33 (online).

[8] Codices Salemitani – digital – ein wunderbares Angebot der Universitätsbibliothek Heidelberg in vorbildlicher Präsentation!  Auch Wilfried Werner, Die mittelalterlichen nichtliturgischen Handschriften des Zisterzienserklosters Salem (Wiesbaden 2000) ist hier online zugänglich.

[9] Hans Martin Schaller, Art. „Eberhard II. von Regensberg“, in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959) 231 [Onlinefassung]  (8.2.2016).

[10] Salzburger Urkundenbuch Bd. 3: Urkunden von 1200-1246. Bearb. von Willibald Hauthaler und Franz Martin (Salzburg 1918) (online  [8.2.2016]) 13-15 Nr. 543; Codex diplomaticus Salemitanus, Bd. 1: 1134-1266, hrsg. von Friedrich von Weech (Karlsruhe 1883) (online [8.2.2016]) 91-93 Nr. 61.

[11] Werner Rösener, Reichsabtei Salem. Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Zisterzienserklosters von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Vorträge und Forschungen, Sonderband 13, Sigmaringen 1974) (online [8.2.2016]), bes. 53-55; Otto Volk, Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster (Vorträge und Forschungen, Sonderband 30, Sigmaringen 1984) (online [8.2.2016]), bes. 45-72.

[12] Buberl, wie Anm. 1.

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Eine Heilmittelkompilation aus der Historia naturalis des Plinius? – Zu Marginalien in ÖNB Cod. 9-10

In der noch bis 21. Februar laufenden Ausstellung „Goldene Zeiten. Meisterwerke der Buchkunst von der Gotik bis zur Renaissance“ im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek wird als ein mögliches Beispiel für den frühen habsburgischen Buchbesitz ein Teil des heute zweibändigen Plinius-Codex ÖNB cod. 9-10 gezeigt (Cod. 9; Cod. 10). Die Handschrift entstand im 12. Jahrhundert vielleicht im Stift St. Blasien im Schwarzwald. Eine eindeutige Zuordnung ist jedoch aufgrund der wenigen erhaltenen Handschriften des Klosters bisher nicht gelungen[1]. Sowohl das ursprünglich ÖNB Cod. 9 vorgebundene Nekrologfragment des Stiftes[2] als auch ein Besitzvermerk auf fol. 1r weisen aber jedenfalls auf eine Bibliotheksheimat St. Blasien hin. Laut demselben Eintrag verborgte das Kloster im Jahr 1278 die Handschrift an Rudolf von Habsburg-Laufenburg, der zwischen 1274 und 1293 Bischof von Konstanz war (siehe Abbildung)[3]. Die weitere Geschichte des Codex, der vielleicht nicht mehr an das Stift zurückgegeben wurde und im frühen 17. Jahrhundert zum ersten Mal in der Hofbibliothek nachgewiesen werden kann, ist bisher noch nicht im Detail bekannt. Er wird jedoch vorsichtig zum frühen Buchbesitz der Habsburger gezählt[4]. Als Hinweis darauf wird, neben der Tatsache, dass der Konstanzer Bischof ein Vetter König Rudolfs I. war, vor allem der Eintrag A E I o auf fol. 231r von ÖNB Cod. 10 angesehen (neue Folierung fol. 42r; siehe Abbildung). Diese Buchstabenfolge wird als unvollständige Devise Kaiser Friedrichs III. gedeutet, wie sie in ihrer vollständigen Form A E I O U in Handschriften aus seinem Besitz zu finden ist[5]. Die Form der Ausführung, wie auch die Anbringung an wenig prominenter Stelle mitten in der Handschrift, lässt allerdings trotz Ähnlichkeiten in den Buchstabenformen gewisse Zweifel an der Zuweisung aufkommen[6].

Während Provenienz und Buchschmuck der prächtig ausgestatten Handschrift immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen waren, haben die Marginalien bisher wenig Beachtung gefunden. Unter diesen sei hier nun eine Gruppe herausgegriffen, die offensichtlich auf die Erstellung eines Exzerptes abzielte. An verschiedenen Stellen finden sich Eintragungen eines Lesers, der um 1300 (?) einen Kopisten anweist, genau definierte Stellen der Handschrift abzuschreiben. Der Beginn der zu kopierenden Stelle wird mit scribe oder scribe hic gekennzeichnet, ihr Ende jeweils mit usque huc (siehe Abbildung). Eine erste grobe Durchsicht der markierten Textstellen zeigt, dass das Interesse des Lesers wohl vor allem bei pflanzlichen und tierischen Heilmitteln lag. Die Vermerke gruppieren sich in den Büchern 23 bis 31 der Historia naturalis, die den medizinischen Eigenschaften verschiedener Pflanzen und Tierprodukte gewidmet sind. So interessieren etwa die Heilkräfte von Salbei, Weide oder Haarstrang, aber auch gewisse Anwendungsmöglichkeiten von Muttermilch, Knochenmark oder Tiergalle. Während im Bereich der Pflanzen meist das gesamte, oft nur kurze, Kapitel des Pliniustextes kopiert werden soll, scheint bei den Tierprodukten die Auswahl spezifischer. Im umfangreichen Kapitel zur medizinischen Anwendung von Fett (lib. XXVIII c. 37) wird etwa speziell ein Rezept gegen Krätze markiert.

Noch völlig unklar ist, wer diese Exzerpte wofür anfertigen ließ. Die möglichen Ansatzpunkte sind breit gestreut. Zählen z.B. die Pflanzen zu den typischen Vertretern im mitteleuropäischen Klima bzw. im mittelalterlichen Garten? Werden Heilmittel gegen bestimmte Krankheiten besonders häufig exzerpiert? Steht der Praxisbezug oder das gelehrte Interesse im Vordergrund? Lassen sich Rückschlüsse auf die Person des Lesers und sein Umfeld finden? Erst eine genauere Analyse aller Einträge kann hier vielleicht den Hintergrund näher beleuchten.

Die erste Durchsicht scheint jedenfalls auf ein Exzerpieren zum praktischen medizinischen Gebrauch hinzudeuten. Im Kapitel über die Verwendung der Tiergalle (lib. XXVIII c. 40) werden zwar alle Anwendungen der Galle übernommen, die abschließenden Informationen über römische Opferpriester und dass es ihnen verboten war, Pferde zu berühren, wird aber ausgelassen. Sie war jedenfalls zum Zeitpunkt der Exzerpierung nur noch von gelehrtem Interesse.

Vorsicht vor Überinterpretation ist natürlich bei allen Rückschlüssen auf die Person des Lesers geboten. So könnte man bei unbefangener Lektüre vermuten, dass er sich in einer Krise seines Liebeslebens befunden hätte. Der Schreiber wird nämlich angewiesen, ein Rezept zum Erwecken der Liebeslust zu kopieren, das ein Einreiben mit Sand, in dem sich ein weibliches Maultier gewälzt hat, vorschreibt. Nach diesem ersten Schritt muss offensichtlich auch die Geburt eines Nachkommen gesichert werden. Auch hier hilft Plinius: Dieser rät, während des Geschlechtsakts Haare, die einem weiblichen Maultier während der Begattung durch einen Hengst entrissen wurden, zu verknoten, um eine Frau, auch gegen ihren Willen, zu schwängern. Bei Erfolg lässt sich das Verlangen nach dem anderen Geschlecht dann mit einem weiteren, ebenfalls kopierten, Rezept stillen (alle Exzerpte aus lib. 30). Man hofft angesichts der Interessenslage beinahe, dass die Exzerpte nicht im klerikalen Umfeld entstanden!

Diese kleine Analyse, die natürlich mehr der Erheiterung als der wissenschaftlichen Forschung dient, soll einen kleinen Einblick in die Verwendung der Pliniushandschrift bieten. Für die Geschichte der Hofbibliothek birgt die genaue Auswertung der Marginalien die geringe Hoffnung, einen weiteren Provenienzhinweis zu gewinnen. Der Fund einer Handschrift mit genau diesen Pliniusexzerpten oder Hinweise zu Person und Umfeld des Exzerptors könnten helfen, die Verbindung des Habsburgischen Hauses zu ÖNB Cod. 9-10 entweder zu stärken oder zu verwerfen.

[1] Den besten Überblick gibt Hubert HOUBEN, St. Blasianer Handschriften des 11. und 12. Jahrhunderts. Unter besonderer Berücksichtigung der Ochsenhauser Klosterbibliothek (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 30, München 1979), 45-48 zur Handschrift.

[2] Hubert HOUBEN, Das Fragment des Necrologs von St. Blasien. (Hs. Wien, ÖNB Cod. lat. 9, fol. I-IV). Facsimile, Einleitung und Register. Frühmittelalterliche Studien 14 (1980) 274-298.

[3] zu Rudolf von Habsburg B. v. Konstanz siehe den Eintrag von Veronika FELLER-VEST in Historisches Lexikon der Schweiz http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D12663.php

[4] Die Signatur des zweiten Bibliothekars der Bibliothek, Sebastian Tengnagel, ist von der Hand Peter Lambecks auf fol. 1r in Cod. 9 eingetragen. Vgl. zur Geschichte der Handschrift Julius H. HERMANN, Die deutschen romanischen Handschriften (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich VIII/2, Leipzig 1926) 47f und HOUBEN, St. Blasianer Handschriften (wie Anm. 1) 46f.

[5] Zu „Devise“ siehe v. a. Alfons LHOTSKY, A.E.I.O.U. Die „Devise“ Kaiser Friedrichs III. und sein Notizbuch, in: DERS., Aufsätze und Vorträge II: Das Haus Habsburg, hg. von Hans WAGNER und Heinrich KOLLER (Wien 1971) 164-222. Ein Überblick zur Forschungsgeschichte mit weiterer Literatur bei Heinrich KOLLER, Zur Bedeutung des Vokalspiels AEIOU. Österreich in Geschichte und Literatur 39/3 (1995) 162-170.

[6] Andreas FINGERANGEL, Friedrich III. und das Habsburgische Erbe, in: Goldene Zeiten. Meisterwerke der Buchkunst von der Gotik bis zur Renaissance. Katalogband zur Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek vom 20. November 2015 bis 21. Februar 2016, hg. von Andreas FINGERNAGEL (Wien 2015), 43-47, hier 46.

Besitzvermerk des Klosters St. Blasien mit Verleihvermerk an Bischof Rudolf von Konstanz von 1278.

ÖNB cod. 9 fol. 1r: Besitz- und Verleihvermerk des Klosters St. Blasien

ÖNB Cod. 10 fol. 231r (42r): Unvollständige Devise Friedrichs III.

ÖNB Cod. 10 fol. 231r (42r): Unvollständige Devise Friedrichs III.

ÖNB Cod. 20 fol. 220v (39v): Beispiel für eine Kopieranweisung

ÖNB Cod. 20 fol. 220v (39v): Beispiel für eine Kopieranweisung am linken Rand

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Konrad von Mure in Linz

Konrad von Mure, geboren im frühen 13. Jahrhundert im schweizerischen Muri und wahrscheinlich im dortigen Benediktinerkloster erzogen (ein Studium in Bologna und Paris wird vermutet, ist aber nicht sicher zu beweisen), war seit 1244 als Schulmeister, seit 1259 auch als Kantor am Großmünster in Zürich tätig. Bis zu seinem Tod 1281 verfasste er eine beachtliche Anzahl von Werken (viele davon in Versen), von denen allerdings nur wenige vollständig erhalten geblieben sind[1]. Eine von ihm selbst zusammengestellte Liste seiner metrischen Werke im Epilog seines Fabularius nennt an erster Stelle Nouus Grecismus habet circiter decem milia quingentos sexaginta uersus[2] – ein umfangreiches, am Grecismus des Eberhard von Béthune anknüpfendes, ihn inhaltlich aber weit überschreitendes Lehrgedicht in Hexametern, dessen Abfassung in Zusammenhang mit Konrads Tätigkeit als Schulmeister zu sehen ist. Gegenwärtig sind Überlieferungen in 14 Handschriften bekannt (die allerdings nicht alle den vollständigen Text enthalten), von denen 12 für die Erstellung der kritischen Edition herangezogen wurden[3]. Dem Herausgeber unbekannt war allerdings ein Fragment einer Handschrift, das sich in der Oberösterreichischen Landesbibliothek in Linz befindet.

Cod. 589 der Oberösterreichischen Landesbibliothek besteht aus einem Pergamentblatt, das als Einband eines Druckes (zu diesem siehe weiter unten) verwendet und im August 1909 abgelöst worden ist. Das Blatt ist etwa 220 mm hoch und 165 mm breit; beide Seiten sind jeweils in zwei Spalten zu je 41 Zeilen beschriftet. Gegenüber seiner ursprünglichen Größe dürfte das Blatt nur unwesentlich beschnitten sein; Textverlust ist jedenfalls keiner festzustellen. Die Schrift ist auf der zum Buch gekehrt gewesenen Seite recht gut lesbar, während sie auf der Außenseite des Blattes, vor allem im Bereich des ehemaligen Rückens, durch Abrieb mitunter nur schwach erkennbar ist. Die Schrift des Blattes ist eine einfache Textualis wohl des frühen 14. Jahrhunderts. Am oberen Rand hat eine frühneuzeitliche Hand eine Spaltenzählung (noch erkennbar sind die Zahlen 260 bis 262) eingetragen.

Auf einem beiliegenden Papierblatt wird der Text als „Bruchstück eines Gedichtes mythologischen Inhaltes in Hexametern, lateinisch“ beschrieben. Tatsächlich handelt es sich um ein Stück der ausführlichen Genealogie der heidnischen Götter, die Konrad in den Novus Grecismus aufgenommen hat. Der Text umfasst die Zeilen 1009 bis 1164 des neunten Buches von Konrads Werk[4] und weist keine wesentlichen Varianten zum Text der Edition auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Handschriften finden sich keine Interlinear- und Marginalglossen. Für die sichere Identifizierung des Textes ist es hilfreich, dass der Schluss des genealogischen Gedichts und die daran anschließende Behandlung der Dreizahl auf dem Fragment enthalten ist. Die Göttergenealogie allein hat Konrad nämlich noch einmal in seinem Fabularius verwendet[5]; überdies ist sie in einer Reihe von Handschriften eigenständig überliefert[6].

Linz, Oberösterreichische Landesbibliothek, Cod. 589 verso (Konrad von Mure, Novus Grecismus IX, 1089-1169)

Linz, Oberösterreichische Landesbibliothek, Cod. 589 verso (Konrad von Mure, Novus Grecismus IX, 1089-1169)

Der Druck, als dessen Einband das Fragment gedient hat, ist ein 1649 in München erschienenes polemisches Werk des italienischen Jesuiten Alberto Alberti (1593-1676)[7]. Das Exemplar der Oberösterreichischen Landesbibliothek[8] stammt aus dem Besitz des Benediktinerstifts Garsten bei Steyr, wie aus einem auf dem Titelblatt eingetragenen Besitzvermerk des 17. oder frühen 18. Jahrhunderts hervorgeht.

Alberto Alberti, Generales Vindiciae. Titelblatt mit Garstener Besitzvermerk (Linz, Oberösterreichische Landesbibliothek I-61511)

Alberto Alberti, Generales Vindiciae. Titelblatt mit Garstener Besitzvermerk (Linz, Oberösterreichische Landesbibliothek I-61511)

Die auf dem Makulaturblatt erkennbare frühneuzeitliche Spaltenzählung lässt vermuten, dass die Handschrift des Novus Grecismus im 16. Jahrhundert jedenfalls noch intakt gewesen ist. Ein ungefährer Terminus ante quem für die Makulierung ist das Erscheinungsjahr des Druckes 1649. Ob Konrads Novus Grecismus Bestandteil der mittelalterlichen Garstener Bibliothek war oder das Makulaturblatt aus einer anderen Quelle stammt, ist gegenwärtig nicht zu klären[9].

Update 8.8.2016: Inzwischen hat die Oberösterreichische Landesbibliothek das Blatt digitalisiert; es ist unter diesem Link zu finden.

[1] Knappe Überblicke über Biographie, Werke und Überlieferung: Erich Kleinschmidt, Art. „Konrad von Mure“, in: Verfasserlexikon 2. Aufl. Bd. 5 (Berlin / New York 1985) Sp. 236-244, Nachtrag Bd. 11 (Berlin / New York 2004) Sp. 879; Christian Folini, Art. „Konrad von Mure“, in: Historisches Lexikon der Schweiz, online-Version (Stand 28.10.2008, besucht 26.12.2015); Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“, Conradus de Mure [Stand 6.9.2012, besucht 26.12.2015]; zuletzt Tom van de Loo, Mittelalterliche Gelehrsamkeit im Zürich des 13. Jahrhunderts: der Enzyklopädist und Mythograph Konrad von Mure im Lichte der neueren Forschung, in: Mittellateinisches Jahrbuch 50 (2015) 123-136.

[2] Conradi de Mure Fabularius, ed. Tom van de Loo (CCCM 210, Turnhout 2006) 548 Z. 40f.

[3] Konrad von Mure, Novus Grecismus. Auf der Grundlage aller vorhandenen Handschriften erstmals herausgegeben, eingeleitet und mit Register versehen von Alexandru N. Cizek (Münstersche Mittelalter-Schriften 81, München 2009), kurze Beschreibung der Handschriften p. lxxxii-lxxxviii.

[4] Novus Grecismus, ed. Cizek 307-312.

[5] Konrad von Mure, Fabularius, ed. van de Loo 27-48.

[6] Iane biceps qui clusius atque patulcius idem … – … Est Anthoninus successor in ordine regum. Vgl. Initia carminum ac versuum medii aevi posterioris latinorum. Alphabetisches Verzeichnis der Versanfänge mittellateinischer Dichtung. Unter Benützung der Vorarbeiten Alfons Hilkas bearbeitet von Hans Walther (Carmina Medii Aevi Posterioris Latina I, Göttingen 1959; Nachträge und Berichtigungen 1969) Nr. 9769. Folgende Überlieferungen sind mir derzeit bekannt: Budapest, Országos Széchényi Könyvtár Cod. lat. 423 (bis 1919 Wien, Hofbibliothek Cod. 109) f. 1r-9v; Oxford, Bodleian Library, Bodl. Ms. 292, f. 148va-149vb (unvollständig); München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 6722 und 24505; Strasbourg, Bibliothèque nationale et universitaire Cod. 88 (85) f. 2r-12v; Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 250, f. 1r-11r (digitalisiert).

[7] Generales Vindiciae, Adversus Famosos Gasparis Scioppii Libellos, Societati Jesu, Ab Alberto De Albertis, Ex Eadem Societate, … Datae (Monachii: Straubius [Lukas Straub], 1649). 571 Bl., 12o. VD17 12:114255M [27.12.2015]. Ein Digitalisat des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek gibt es hier [27.12.2015].

[8] Signatur I-61511.

[9] Zur Geschichte der Garstener Bibliothek vgl. Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs, Bd. 5: Oberösterreich. Bearb. v. Herbert Paulhart (Wien / Köln / Graz 1971) 19-24. Abgesehen von einer Bücherschenkung des Abtes Otto von Garsten 1331 ist aus dem Kloster keine mittelalterliche Bücherliste bekannt.

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